Text: Thomas Masuch
Blanca Garro kommt fast täglich mit neuen Produkten und Innovationen in Berührung. Konkret darüber sprechen darf sie nicht – in der Regel unterschreibt die Geschäftsführerin von Reinforce3D eine NDA mit jedem neuen Partner.
Dass Garro in einer von Innovationen geprägten Welt unterwegs ist, liegt an der CFIP-Technologie ihres Start-ups. „Damit wird Fortschritt auch dort möglich, wo man eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet hat, weil alles schon als perfektioniert erachtet wurde.“ Beispiele dafür sind neue Sättel oder Lenker im Radsport genauso wie Halterungen für Roboter im Maschinenbau. „Dabei machen wir diese Produkte nicht nur leichter, sondern haben im Vergleich zu traditionellen additiven Verfahren in vielen Fällen auch einen deutlichen Kostenvorteil.“ Gleichzeitig lassen sich auch Bauteile aus verschiedenen Materialien verbinden – zum Beispiel aus Kunststoff und Aluminium.

Das spanische Unternehmen Reinforce3D hat die CFIP-Technologie entwickelt und zur Anwendung gebracht. CFIP ermöglicht das automatische Einfügen von Endlosfasern in vorgefertigte Teile, wodurch deren mechanische Eigenschaften verbessert werden. Das Schöne an der patentierten Technologie – nämlich, dass sie viele neue Anwendungen und Innovationen insbesondere im Bereich Leichtbau möglich macht – wird für Reinforce3D auch zur Herausforderung: „Denn die beste Technologie ist wertlos, wenn niemand weiß, wie man sie verwendet“, erklärt Blanca Garro. So konzentriert sich das Team darauf, Beispielanwendungen in wichtigen Industriezweigen zu entwickeln, um die Vielseitigkeit und Skalierbarkeit von CFIP deutlich zu machen und gleichzeitig Partner bei der Integration in ihre Arbeitsabläufe zu unterstützen. „Wir wachsen Schritt für Schritt, bauen starke Kooperationen auf und expandieren in weitere Branchen, mit dem klaren Ziel, CFIP zu einem Standard in der fortschrittlichen Fertigung zu machen“, erklärt Garro sehr selbstbewusst.
Komplexe und robuste Leichtbau-Teile
Die Technologie wurde bereits vor rund zehn Jahren am katalonischen Technologiezentrum Eurecat in Barcelona erforscht: In eine 3D-gedruckte Hülle wird eine Mischung aus Harz und Endlos-Carbonfasern hineingespritzt. Laut Blanca Garro hat das gleich mehrere Vorteile: Die Hülle kann mit recht einfachen Desktop-Druckern hergestellt werden. Durch die Verfüllung können komplexe und robuste Leichtbau-Teile entstehen – und das zu recht wettbewerbsfähigen überschaubaren Kosten.
Das Unternehmen wurde 2022 als Spin-off von Eurecat vom ehemaligen Eurecat-Forscher Marc Crescenti, der heute als CTO im Unternehmen fungiert, gegründet. Die studierte Chemie-Ingenieurin Blanca Garro leitet das Unternehmen seit 2023 als CEO, nachdem sie zuvor mehrere Jahre bei Materialise gearbeitet und nebenbei ihren MBA erworben hatte. Inzwischen arbeiten zwölf Beschäftigte am Standort in Amposta am Ebro-Delta, auf halben Weg von Barcelona nach Valencia – ein Drittel des Teams bedient die Maschinen im Unternehmen, ein Drittel sind Ingenieure, und das restliche Drittel kümmert sich um Marketing und Verwaltung. Um das Wachstum und die Technologieentwicklung zu finanzieren, sind Investoren bei Reinforce3D mit an Board – unter anderem der auf Technologie-Start-ups spezialisierte spanische Fonds BeAble Capital, der als größter VC-Geber bereits 2022 in einer früheren Phase 650.000 Euro investiert hat. Ansonsten wird das Start-up auch von öffentlichen spanischen Institutionen unterstützt – insbesondere von der Region Katalonien.
Potenzial in verschiedenen Branchen
Das Unternehmen hat 2023 seine Delta-Maschine auf der Formnext vorgestellt und sich international einen Namen gemacht. Inzwischen werden die Delta-Maschinen in verschiedenen Branchen eingesetzt. Der Einsatz der Delta-Maschine ist dabei recht unterschiedlich – etwa die Hälfte der Kunden fertigt damit Prototypen und Kleinserien, die andere Hälfte Endprodukte, schätzt Garro. Die Anwendungen reichen dabei vom Fahrradsattel und -lenker über Ersatzteile für die Bahn bis hin zu Maschinenbauteilen und Komponenten für Roboterarme. Wichtige Anwendungsfelder sind unter anderem die Bereiche Sport (insbesondere Fahrradherstellung) und Drohnenherstellung, aber auch Motorsport, Maschinenbau und Healthcare. Insbesondere im Gesundheitswesen sieht Blanca Garro gutes Potenzial, denn die CFIP-Technologie „könnte bestimmte interne Verstärkungen zulassen, ohne das äußere Design oder die Kontaktflächen zu verändern – was möglicherweise den Zulassungsprozess vereinfachen würde. Alle Änderungen müssen jedoch weiterhin im Einklang mit den Vorschriften für Medizinprodukte von Fall zu Fall geprüft werden.“
Dieses Anwendungsgebiet soll in Zukunft noch weiter wachsen. Zum einen will Blanca Garro mit ihrem Team neben den bisher in Harz eingebetteten Carbonfasern auch weitere Materialien wie Glasfaser und Kevlar anbieten. Zum anderen ist bereits eine weitere Maschine in der Entwicklung, die das Mischen der Materialkomponenten und das Injizieren des Materials automatisiert: die Robotic Injection Automation, die auf der diesjährigen Formnext vorgestellt wird. „Auf diese Weise werden wir unsere Technologie auf die nächste Stufe der Industrialisierung bringen“, sagt Garro zuversichtlich.