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Formnext 2025 – Bühne frei für den AM-Fortschritt

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Die effizienten Problemlöser

20.05.2025

Im Maschinen- und Anlagenbau ist die Additive Fertigung immer entscheidender für Innovation und Performance – und das oftmals mit einem recht überschaubaren Aufwand

Text: Thomas Masuch

In seinem mittelständischen Unternehmen Bernstein Mechanische Fertigung (BMF) hat Ronny Bernstein den 3D-Druck seit vielen Jahren voll in die Wachstumsstrategie integriert. Gerade in der sehr konventionellen Branche des Maschinen- und Anlagenbaus ist der innovative Sachse damit einer der Vorreiter in Deutschland. Rund 50.000 Teile produziert das Unternehmen auf seinen 14 3D-Druckern pro Jahr – ein Teil davon wird auch für die Produktion des Twisters, einer Anlage zur Oberflächenbearbeitung, eingesetzt. Damit ist der Systemlieferant für das Postprocessing zugleich auch Anwender. 

Enge Verzahnung

Die enge Verzahnung des Maschinen- und Anlagenbaus mit der Additiven Fertigung betont auch Rainer Gebhardt, Projektleiter der Arbeitsgemeinschaft AM im VDMA. „AM ist erst mal Maschinenbau, und gleichzeitig gibt es im Maschinenbau ein großes Potenzial zur Nutzung von AM.“ 

3D-gedruckte Zahnräder für die Werkstückaufnahme des Twisters von BMF. Bild: BMF
3D-gedruckte Zahnräder für die Werkstückaufnahme des Twisters von BMF. Bild: BMF

Dabei spielt der Umsatz mit AM im Vergleich zum allgemeinen Maschinenbau derzeit nur eine kleine Rolle: Während die Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus allein in der EU 2024 einen Umsatz von 910 Mrd. Euro erzielten, lag der Umsatz mit dem Verkauf und dem Service von AM-Systemen laut aktuellem Wohlers Report bei rund 5 Mrd. Euro – und das weltweit. Bei der Auflistung der wichtigsten AM-Anwenderindustrien landet der Maschinen- und Anlagenbau nicht auf den vordersten Plätzen, in Marktstudien zur Additiven Fertigung wird die Branche manchmal gar nicht oder nur am Rande erfasst. Im aktuellen Ampower Report geht die Branche im Anwenderbereich Industrial mit auf, der 2024 bei den Verkäufen von AM-Systemen auf einen Marktanteil von immerhin 11,6 Prozent kommt. 

Einen konkreteren Hinweis auf die Bedeutung der Additiven Fertigung für den Maschinen- und Anlagenbau liefert auch die Mitgliederzahl der Arbeitsgemeinschaft AM im VDMA mit über 200 (etwa die Hälfte davon sind Hersteller von Maschinen und Anlagen, die andere Hälfte sind Lieferanten für AM-Systeme, Materialien, Software oder Dienstleister). Damit liegt die erst 2014 gegründete AM-Gruppe auf Augenhöhe mit manchem der insgesamt 32 Fachverbände im VDMA mit seinen 3.500 Mitgliedsfirmen. Das ist ein klares Signal, das die junge Technologie von den traditionellen Maschinenbauern ernst genommen wird. 

Kein üppiger Umsatz, aber große Wirkung

Dabei zeigt sich im Maschinen- und Anlagenbau das oftmals verbreitete „Dilemma“ der Additiven Fertigung besonders stark: Umsatzmäßig spielt der 3D-Druck nur eine recht kleine Rolle, gleichzeitig sorgt er aber dafür, dass Innovationen möglich und Maschinen fortschrittlicher werden und damit ein recht großer (nicht immer messbarer) gesamtwirtschaftlicher Mehrwert entsteht. So ist AM immer öfter entscheidend für eine bessere Performance von Produktionsanlagen. „Oft sorgen im Verhältnis zur Gesamtanlage vergleichsweise kleine und wenige 3D-gedruckte Bauteile dafür, die Performance einer großen, manchmal viele Millionen Euro teuren Anlage deutlich zu verbessern“, erklärt Rainer Gebhardt. Beispiele dafür seien spezielle Greifer, Wärmetauscher oder Werkzeuge mit konturnaher Kühlung. 

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Rainer Gebhardt. Bild: VDMA

Auch der 3D-Druck-Dienstleister Protiq fertigt eine Vielzahl unterschiedlicher Bauteile für den Maschinen- und Anlagenbau. Das reicht von funktionsintegrierten Metallbauteilen über montagefreundliche Sonderlösungen bis hin zu hoch spezialisierten Kunststoffteilen für technische Vorrichtungen. „Im Maschinen- und Anlagenbau zählt oft jedes Gramm und jede Sekunde Montagezeit: Immer häufiger realisieren wir deshalb auch Bauteile, die in konventionellen Verfahren aus mehreren Einzelkomponenten bestünden und erst aufwendig an die individuelle Maschine angepasst werden müssten“, erklärt Stefan de Groot, Vertriebsleiter bei Protiq. Darüber hinaus spielt der 3D-Druck seine Vorteile zum Beispiel auch bei robusten Führungen, komplexen Vorrichtungen oder individuell ausgelegten Komponenten für Prüfstände aus: Diese lassen sich durch AM effizienter und flexibler gestalten.

Da verwundert es kaum, dass auch Rainer Gebhardt der Additiven Fertigung im Maschinen- und Anlagenbau eine äußerst wichtige Rolle zuschreibt: „Gerade im Hinblick auf die industrielle Fertigung und die Fabrik der Zukunft ist die Additive Fertigung im Duo mit dem traditionellen Maschinen- und Anlagenbau ganz wichtig. Denn allein eine AM-Maschine auf die grüne Wiese zu stellen, ist in den allermeisten Fällen kaum sinnvoll.“ So bauen große Maschinenhersteller wie DMG Mori, Trumpf oder Arburg AM-Anlagen und statten sie mit allen Standards für die industrielle Fertigung bzgl. Schnittstellen, Sensorik, Qualität und Zuverlässigkeit aus.

Zuversichtliche Marktprognose

Dieser von Protiq individuell entwickelte Robotergreifer wurde additiv gefertigt und kommt u. a. beim Handling von spritzgegossenen Kunststoffbauteilen sowie von Verpackungsmaterialien zum Einsatz.  Bild: Protiq
Dieser von Protiq individuell entwickelte Robotergreifer wurde additiv gefertigt und kommt u. a. beim Handling von spritzgegossenen Kunststoffbauteilen sowie von Verpackungsmaterialien zum Einsatz. Bild: Protiq

Gleichzeitig ist Gebhardt überzeugt, dass der Maschinen- und Anlagenbau genügend Volumen und Potenzial aufweist, damit Unternehmen, die sich auf AM spezialisiert haben, langfristig wachsen können. Das unterstreichen auch die Zahlen von Ampower: Während sich das Umsatzvolumen in den vergangenen drei Jahren kaum verändert hat, rechnen die Hamburger Marktanalysten für die kommenden fünf Jahre mit einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich 13 Prozent, was leicht über der Prognose für den gesamten AM-Markt liegt. Die positive Entwicklung begründet Matthias Schmidt-Lehr, Geschäftsführer von Ampower, unter anderem mit immer günstigeren AM-Anlagen: „Das ist ein starker Trend. Mittlerweile sind PBF-Anlagen in Metall und Polymer für unter 50.000 Euro verfügbar, ganz zu schweigen von Herstellern wie Bambulabs. Das erleichtert mittelständischen Unternehmen, für die große Investitionen in AM-Anlagen bislang oft keine Option waren, den Einstieg in die Additive Fertigung. Zudem verbreitet sich der 3D-Druck von Fertigungsmitteln immer weiter, auch aufgrund der unermüdlichen Arbeit vieler Reseller.“

Auch Ronny Bernstein sieht ein deutliches Wachstum des 3D-Drucks im Maschinen- und Anlagenbau, „und zwar deutlich mehr als im sonstigen Markt“. Als Gründe dafür nennt er einerseits, dass sich die Konstruktion mit einer neuen Generation von Beschäftigten verändere und damit mehr Anwendungen entstehen. Außerdem nehme die Zahl der Anwender kontinuierlich zu: Zwar sei der 3D-Druck in der Branche weiterhin eine Nische, aber „die Unternehmen, die eine sinnvolle Anwendung erkannt haben, nutzen den 3D-Druck und verdienen damit auch Geld“.

Einige Herausforderungen bleiben

Trotzdem hält der Maschinen- und Anlagenbau nach wie vor einige Herausforderungen bereit. Die Branche ist eher konservativ, „die Margen sind nicht besonders hoch, das ist nicht mit der Medizin oder dem Flugzeugbau vergleichbar“, erklärt Gebhardt. Deshalb würden sich die Hersteller konventioneller Maschinen auch recht vorsichtig an die Additive Fertigung herantasten. „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist die Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren, zudem oftmals gebremst.“ 

Die besondere Herausforderung für Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau liege auch darin, dass sich mittels Additiver Fertigung zwar die eigenen Produkte deutlich verbessern ließen, „aber man bekommt das nicht automatisch auch bezahlt“, so Gebhardt. „Kunden freuen sich dann zwar zum Beispiel über eine schnellere Rüstzeit der Maschine, sagen aber auch, dass sie deshalb nicht unbedingt mehr Geld ausgeben wollen.“ Da sich aber auch immer mehr Hersteller der Branche mit AM beschäftigen und ihre Maschinen technologisch weiterentwickeln, führt nur schwer ein Weg an der Additiven Fertigung vorbei, wenn man auch künftig im Wettbewerb bestehen will. 

3D-gedruckte Ersatzteile für den Twister von BMF. Bild: BMF
3D-gedruckte Ersatzteile für den Twister von BMF. Bild: BMF

Effizienz im Fokus

Als Lösung für diese Herausforderung hat sich offenbar im Maschinenbau ein Vorgehen etabliert, das recht überschaubare Investitionen möglichst effizient nutzt und praktikable Fertigungslösungen entwickelt, um ein Ergebnis zu erzielen, das am Ende zu einem spürbaren Unterschied führt. 

Auch im Bereich Werkzeuge sind durch die Additive Fertigung viele Innovationen entstanden. Ein Klassiker sind hier Werkzeuge (oder Werkzeugeinsätze) mit konturnaher Kühlung. Diese sind in der Regel etwas teurer als „normale“ Werkzeuge, können aber die Leistung einer teuren Spritzgussmaschine signifikant steigern, erklärt Gebhardt. Und auch bei der Qualität der hergestellten Produkte kann es Verbesserungen geben. Dass dieser Bereich durchaus auch für die Hersteller von AM-Anlagen attraktiv ist, zeigt das französische Unternehmen Addup, das seit 2023 am Campus der RWTH Aachen sein Tooling Competence Centre betreibt. 

Standardisierung schreitet voran

Die Entwicklung der AM-Branche im Maschinen- und Anlagenbau zeigt sich auch darin, dass die Standardisierung im Bereich AM langsam Fahrt aufnimmt. Laut Gebhardt ist dieses Thema eine der wichtigsten Herausforderungen seit vielen Jahren. „Manche Unternehmen haben wirklich gute Bauteile mit AM entwickelt, konnten sie aber nicht einsetzen, weil kein AM-Standard existierte.“ Das habe sich zwar noch nicht komplett geändert, aber es gebe Bemühungen, branchenspezifische Standards zu entwickeln. Beispiele dafür seien die „Druckgeräterichtlinie und AM“ oder die „Produktkategorieregel VDMA 34178:2025-04“ für die Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von Werkzeugmaschinen und Maschinen für die Additive Fertigung.

Weitere Informationen:

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