Text: Thomas Masuch
Takeaway 1: Ernüchterung scheint (vorsichtig) überwunden
Es noch gar nicht so viele Jahre her, da versprachen einige AM-Unternehmen, dass AM die Fertigung revolutioniert, und dass in Zukunft eher gedruckt statt gefräst oder spritzgegossen wird. Das mobilisierte bei Investoren viele Millionen oder Milliarden US-Dollar, langfristig nachhaltig war es meist nicht. Es folgte nach dem kurzen Hype während der Covid-Zeit eine Ernüchterung mit der (bangen) Frage: Welche Unternehmen sind bereits so stabil, dass sie von ihrem Cashflow leben, weiter investieren und wachsen können? Und so waren die Vorzeichen für diese Jubiläumsausgabe der Formnext nicht wirklich optimal: Die Branche erlebte eine Konsolidierung, große Player zogen sich zurück, Analysten meldeten Wachstum fast nur noch in Asien. Doch dann kam der Dienstag, 18. November, und schon zwei Stunden nach Messebeginn waren die Gänge voll. Am Ende meldete die Formnext einen Rekord bei den Besucherzahlen von 38.282 Fach- und Führungskräfte (47% davon international), und das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Ausstellerzahl leicht unter der des Vorjahres lag. „Wir erleben schon morgens einen riesigen Andrang an Besuchern und verbringen den Tag durchgehend mit intensiven und guten Gesprächen“, freute sich Stefan Krzykowski, Vertriebsleiter Region Süd Österreich/Schweiz & Area Sales Manager, MHG Strahlanlagen GmbH. Kai Witter, Chief Customer Officer von Dyemansion, meinte prägnant: „Es ist nicht nur gut besucht. Es ist echt voll.“
Takeaway 2: Neue Phase im Reifeprozesse – eine neue additive Ära?
Dass sich die Branche enorm weiterentwickelt hat, zeigte sich auch daran, wie inzwischen Geschäfte und Gespräche auf der Messe ablaufen. Statt cooler Versprechungen und der Frage was mit AM vielleicht alles möglich ist, geht es vereinfacht um konkrete Kostenplanung. Und vielleicht tritt die additive Welt damit in eine neue Ära, die zumindest teilweise die früheren Versprechen einlösen kann. „Der Reifeprozess, der durch Konsolidierung der Branche beschleunigt wurde, stabilisiert die Industrie und eröffnet neue Möglichkeiten“, erklärt Kai Witter. „Wir spüren das in den Gesprächen mit den AM-Anwendern durch Anfragen nach konkreten Business Cases, wo die Kunden wissen, dass AM die richtige Technologie ist. Es geht dann immer mehr um konkrete Kosten, vor allem um Total Cost of Ownership (TCO) inkl. Infrastruktur.
Und auch Andreas Langfeld, Präsident EMEA & APAC bei Stratasys, berichtete auf der Formnext von einem veränderten Markt: „Wir befinden uns in einer Phase der Ernüchterung. Der Markt wird reifer, die Kunden kommen mit konkreten Anwendungsbeispielen. Da muss man als Anbieter prozessorientiert denken vom CAD über das Design bis zur Planung des gesamten Workflows. Am Ende stehen die Kosten pro Bauteil, und das entscheidet. Das Interesse von Produktionsbetrieben wird immer größer. Entscheidend sind dabei zwei Faktoren: Kosten und Prozesssicherheit.“
Takeaway 3: Konsolidierung muss nicht schlecht sein
In direktem Zusammenhang mit dieser „Ernüchterung“ oder eher der „neuen Phase im Reifeprozess“ steht auch eine Konsolidierung, die der Markt in diesem Jahr erlebt hat, und die auch auf der Formnext zu sehen war. Ehemals wichtige Player haben sich aus der AM-Welt ganz oder schrittweise auf Raten zurückgezogen (BASF, Arburg u.a.), andere wie Trumpf oder Sodick / Prima Additive haben ihre AM-Sparte ausgelagert und mit einem neuen Brand versehen. So präsentiert sich auf der Formnext 2025 erstmals Atlix und Altform. Wobei Matthias Himmelbach, CEO von Atlix, in der neuen Unabhängigkeit von Trumpf auch eine zusätzliche Chance verstand und gleichzeitig betonte, dass auch die AM-Sparte von Trumpf seine AM-Aktivitäten größtenteils in Norditalien, am jetzigen Headquarter von Atlix, gebündelt hatte. Allseits freudige Mienen gab es auch bei der Übernahme von ASM durch Dyemansion (wurde kurz vor der Formnext vorkündet), und bei der Übernahme von Bosch Advanced Ceramics durch die Sintokogio Group (wurde auf der Formnext verkündet und gefeiert). Die japanische Gruppe, die bereits 3DCeram Sinto besitzt, erweitert damit sukzessive sein Portfolio an AM-Firmen (insbesondere im Keramik-Bereich).
Takeaway 4: Industrielle Anwendungen werden zum Gradmesser
Neben den zahlreichen Entwicklungen im Businessbereich gab es auch viel Veränderungen auf der Bauplatte: Die Aussteller zeigten deutlich mehr konkrete Anwendungen. Während in den Vorjahren vor allem im Metallbereich oftmals neben den AM-Systemen Pilotprojekte oder Demonstratoren ausgestellt wurden, standen nun verstärkt Wärmetäuscher, Triebwerke, Krümmer, oder Bauteilen von Kompressoren, Kraftwerken oder Pumpen in den Vitrinen – oft aus konkreten Anwendungsfällen. Statt wie in der Vergangenheit zu zeigen, was möglich ist, ging es nun darum zu zeigen, wie es funktioniert.
Takeaway 5: Günstige FDM-Desktop-Drucker – immer mehr professioneller Einsatz statt Consumer-Bereich
Günstige Desktopdrucker, die aus dem Consumer-Bereich kommen, werden auch im industriellen Bereich eine ernstzunehmende Größe. Das zeigte sich unter anderem an dem enormen Andrang beim Launch des Bambu Lab H2C, bei dem sich die Besucher teilweise auf den angrenzenden Ständen drängten, weil auf dem Stand von Bambu Lab und rundherum einfach kein Platz mehr war. Führende Unternehmen im FDM-Desktop-Bereich wie Bambu Lab, Prusa und Creality verbessern ihre Technologie immer weiter und vergrößern so die Bandbreite der industriellen Anwendungen – unter anderem durch Multimaterialverarbeitung oder den Druck von speziellen Filamenten (wie Silikon und anderen). Das Potential dieser Unternehmen und der Desktop-Technologie zeigt sich allein in den Verkaufszahlen: Allein Bambu Lab verkaufte 2024 mehr als eine Million 3D-Drucker. Im industriellen Bereich ist der Einsatz vielfältig: mit Desktop Druckern lässt sich AM sehr gut skalieren (siehe unseren Technologie-Bericht ), und neuerdings statten sogar Materialhersteller ihre Kunden mit Bambu Lab-Drucker aus, damit darauf Materialien qualifiziert werden können.
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Teil 2 mit folgenden Trends: