Text: Thomas Masuch
In der Automobilbranche gibt es wohl nur wenige AM-Dienstleister mit so viel Erfahrung wie Cirp aus der Nähe von Stuttgart. „Bei Cirp sind wir 31 Jahre mit dieser Industrie gewachsen und gereift. Heute spüren wir eine große Verunsicherung in der Branche“, erklärt Thomas Lück, Leiter Vertrieb und Innovation bei Cirp. Dennoch sieht Lück insbesondere für die Additive Fertigung weiterhin Potenzial: „AM und Rapid Tooling bleiben nachgefragte Leistungen. Das gilt für alle Stufen der Lieferkette und für die verschiedenen Antriebskonzepte.“

Laut Wohlers Report 2025 ist der Automotive-Sektor eine der wichtigsten Anwenderindustrien: Die weltweite AM-Industrie generierte hier 10,3 Prozent ihrer Umsätze. Damit liegt die Automotive-Branche auf Platz drei der wichtigsten Anwenderindustrien – dicht hinter Medical (11,1 %) und Space (10,6 %). Allerdings durchlebt die Automotive-Branche, zu der in diesem Beitrag auch die Bereiche Motorsport sowie Trucks und Busse gezählt werden, derzeit herausfordernde Zeiten. Während die Absatzzahlen stagnieren, bleiben die Produktionskosten insbesondere in Deutschland hoch: Einen Pkw in Deutschland zu bauen, kostet rund 5,5-mal so viel wie die Produktion in China (siehe Grafik). Da verwundert es nicht, dass zum Beispiel VW ein umfangreiches Sparprogramm beschlossen hat – u. a. soll bis 2030 ein Viertel der 130.000 Stellen in Deutschland gestrichen werden.
Sparprogramme spürbar
Von diesen Sparprogrammen war in den vergangenen Jahren offenbar auch die AM-Industrie betroffen: Laut Ampower Report 2025 sind die Umsätze mit AM-Ausrüstung im Automotive-Bereich von 2022 bis 2024 deutlich zurückgegangen – von 260 Mio. Euro auf 190 Mio. Euro und damit um rund 27 Prozent. Diese Zahlen decken sich auch mit den Erfahrungen von Thomas Lück: „Die Nachfragemenge und die Planbarkeit haben gelitten. Die Verunsicherung kommt auch in kleinen Projekten an. Entscheidungen verschieben sich unerwartet.“ Das führt laut Lück dazu, dass „die Flexibilität und Kapazitätsplanung bei Cirp heute härter gefordert“ wird, wobei das Unternehmen „mit einer gesund gewachsenen Struktur und Ausstattung reagieren kann“.

Für die nächsten Jahre sehen die Experten von Ampower aber eine deutliche Trendwende: Bis 2029 sollen die AM-Absätze im Automotive-Bereich wieder deutlich wachsen, und zwar um jährlich 13 Prozent auf 360 Mio. Euro im Jahr 2029.
Trendwende für AM-Anwendungen
Die Gründe für die positive Wende sind unterschiedlich und variieren je nach Teilbranche im Automobilbereich: Im Bereich Pkw-Serienfertigung „werden viele Potenziale immer noch nicht genutzt“, erklärt Mathias Schmidt-Lehr, Gründer und CEO von Ampower. Und auch Thomas Lück hat festgestellt, dass „viele Kunden die Vorteile von AM und Rapid Tooling jetzt besonders erkennen, um schnell und mit kleinem Invest kurzfristige Entscheidungen umzusetzen, die Entwicklung zu beschleunigen und ebenso kurzfristig lieferfähig zu werden“. Auch die AM-Experten von Wohlers Associates eine Zunahme der Anwendungen im Automobilbereich: „Binder Jetting ist nach wie vor eine sehr gute Technologie und kann in den richtigen Händen einen sehr nützlichen Mehrwert liefern. Leider wurden in den vergangenen Jahren durch überschwängliche Marketingversprechen unrealistische Erwartungen aufgebaut, die sich so schnell nicht erfüllt haben“, erklärt Mahdi Jamshid, Director Market Intelligence.

Darüber hinaus zeigt sich auch der Bereich Motorsport als stabiler Wachstumsmarkt für AM. Hier finden immer mehr 3D-gedruckte Bauteile den Weg in Formel-1-Boliden oder Supersportwagen. Und auch das Segment Trucks and Buses bietet großes Potenzial für die Additive Fertigung insbesondere im Bereich Ersatzteile. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung des AM-Bereichs bei Daimler Buses.
Potenziale bei Produktionswerkzeugen
Neben den Prototypen spielt die Additive Fertigung in der Pkw-Serienfertigung vor allem bei Produktionswerkzeugen eine wichtige Rolle. Die Experten von Ampower haben in einer Studie allerdings festgestellt, dass hier noch viel Potenzial für einen stärkeren Einsatz von AM besteht: Während in der früheren Design-Phase AM schon sehr effizient genutzt wird, werden die Potenziale zum Beispiel bei Roboter-Greifern oder bei Einsätzen von Spritzgusswerkzeugen nur zu einem kleinen Teil genutzt. „Etwa 80 Prozent des Marktes für Produktionswerkzeuge in der Automobilindustrie sind noch unerschlossen“, erklärt Matthias Schmidt-Lehr. „Dies bietet OEMs eine enorme Chance, ihre Produktivität und Betriebszeit zu steigern und gleichzeitig die Kosten für Produktionsanlagen zu senken. Begünstigt wird dies durch die zunehmende Verfügbarkeit kostengünstiger, benutzerfreundlicher Drucker.“
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