Interview: Thomas Masuch, 04.11.2024
Im Gespräch mit dem Formnext Magazin äußert sich Arno Held, geschäftsführender Gesellschafter AM Ventures, zur aktuellen Marktlage der Additiven Fertigung.
Wie ist die aktuelle Stimmung in der AM-Welt?
Arno Held: Die aktuelle Situation im Markt scheint derzeit etwas besser zu sein als noch im ersten Halbjahr 2024. Die ersten Board-Meetings deuten auf eine latente Erholung hin. Kunden bestellen wieder, Finanzierungsrunden werden abgeschlossen und auch Unternehmensverkäufe finden wieder statt. Verglichen mit den Vorjahren ist das Niveau allerdings weiterhin bescheiden. Innerhalb des Jahres fühlt es sich jedoch langsam an wie eine kleine Trendumkehr.
Ist der verbreitete Pessimismus begründet?
Arno Held: Aus meiner Sicht, nein. Der Pessimismus stammt primär aus den Finanzmärkten und liegt darin begründet, dass in den Jahren 2020/21/22 völlig überzogene Erwartungshaltungen erzeugt wurden, die man nun (für Brancheninsider erwartungsgemäß) weit verfehlt hat. Die wirtschaftliche Schwäche der Unternehmen liegt aber aus meiner Sicht an den globalwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Beobachtet man die konkreten Applikationen und die Kundenstruktur der Unternehmen, ist es eher positiv zu sehen, dass sich unseriöse Teilnehmer vom Tisch verabschiedet haben und vor allem unsere Portfoliounternehmen nun primär großvolumige, werthaltige Anwendungen gemeinsam mit namhaften Unternehmen entwickeln.
Was sind die Ursachen für die etwas verhaltene Situation? Ist die Entwicklung des AM-Markts schwächer als erwartet?
Arno Held: Natürlich hat sich in den „fetten“ Jahren die Anzahl gewagter Experimente massiv erhöht. Nicht alle Applikationen, die in den vergangenen Jahren gehypt wurden, sind wirklich werthaltig und nicht alle Versprechen, die gemacht wurden, konnten eingehalten werden, denn sie waren teils überzogen. Viele dieser Experimente sind nun ausgelaufen und werfen sowohl wertvolle Lektionen als auch freie Kapazitäten ab, die nun sinnvoll genutzt werden können.
Wird die Konkurrenzsituation, insbesondere für europäischen Unternehmen, härter?
Arno Held: Ja, unbedingt. Derzeit gibt es auf dem Markt etwa acht- bis zehnmal so viele Hardware-Hersteller wie sinnvoll, die allermeisten davon in einem sehr unreifen Stadium und ohne wirklich schlagkräftige Applikationen. Besonders mit dem steigenden Kostendruck durch sehr günstige und hochinnovative Konkurrenz aus China wird dieser Druck in den kommenden 18 Monaten massiv steigen und für eine Marktbereinigung sorgen.
Welche Chancen ergeben sich dennoch für AM-Unternehmen?
Arno Held: Die Branche lernt erst jetzt, nicht von dem Hype und Vorschusszahlungen auf die Zukunft zu leben, sondern in konkreten, kurzfristigen Geschäftsopportunitäten zu denken. Das Problem der AM-Technologie, die hypothetisch alles drucken kann, ist, dass sich kaum ein Anbieter auf einzelne Applikationen spezialisieren möchte. Genau diese Spezialisierung ist aber der Schlüssel zum Erfolg. Jedes Unternehmen, das es schafft, sich eine Applikation zu eigen zu machen und diese gegen den Wettbewerb zu verteidigen, wird als Gewinner aus dieser Krise hervorgehen.
MEHR INFOS UNTER:
AM Ventures auf der Formnext 2024: Halle 11.1, Stand D52
Über die aktuelle Marktsituation haben wir mit vier weiteren AM-Experten gesprochen:
- Rainer Lotz, Renishaw: „Die guten langfristigen Aussichten sind nicht gefährdet“
- Frank Carsten Herzog, HZG Group: „Für Pessimismus gibt es keinen Grund“
- Jurgen Laudus, Materialise Manufacturing: Großer Unterschied zwischen Prototyping und Serienfertigung
- Rainer Gebhardt, VDMA: „Zuversichtlicher als der Durchschnitt“
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- Marktberichte und Studien