06.03.2023, von Thomas Masuch
Der Markt für additive Metallpulver erlebt eine echte Boomphase: Der Bedarf steigt rasant, gleichzeitig haben Anwender eine immer größere Auswahl an Lieferanten, und auch die Bandbreite der Pulver wächst. Für etablierte Hersteller ist das sowohl Chance als auch Herausforderung – junge Unternehmen wollen sich dagegen mit neuen Angeboten etablieren. Die Entwicklung dürfte den gesamten AM-Markt zusätzlich beflügeln.
Metallpulver sind zwar optisch nicht besonders spektakulär, doch sie sind die Basis für zahlreiche Entwicklungen und Innovationen in der Additiven Fertigung. Dabei hat der Pulversektor derzeit ein enormes Tempo aufgenommen: Für die kommenden vier Jahre rechnet das Hamburger Beratungsunternehmen für Additive Fertigung Ampower mit einer jährlichen Absatzsteigerung um über 30 Prozent. Demnach soll der jährliche Metallpulverbedarf für den 3D-Druck von 5.601 Tonnen im Jahr 2021 auf 22.456 Tonnen im Jahr 2026 steigen.
Die Entwicklung zeigt, dass auch die Zahl der Anwendungen immer weiter steigt und dass die Additive Fertigung auf dem Weg in die Industrialisierung deutlich vorankommt. Gleichzeitig bietet der expandierende Pulvermarkt vielversprechende Geschäftsmöglichkeiten für immer mehr etablierte wie auch neue Anbieter. „Die Anzahl der Pulverhersteller steigt stetig und führt zu einem höheren Wettbewerb“, erklärt Maximilian Munsch, Co-Gründer und Geschäftsführer von Ampower. „In allen Gruppen der Metallwerkstoffe wie zum Beispiel Stähle oder Nickelbasis-Legierungen gibt es mehr als drei bis vier Dutzend international konkurrierende Herstellerunternehmen für ein Produkt, das oft wenig Alleinstellungsmerkmale zulässt.“
„Sehr gute Qualität von vielen Herstellern“
Auch für den Pulverexperten Yannik Wilkens haben sich die Standardpulver „zu einem Commodity-Produkt entwickelt, das von vielen Herstellern zu einer sehr guten Qualität bezogen werden kann. Dass Kunden allein aus Vertrauensgründen bei einem Pulveranbieter oder beim Hersteller der Maschine einkaufen, wird immer seltener.“ Daraus folgert Wilkens, Co-Gründer der Materialplattform Qualloy, dass beim Einkauf der Preis eine immer wichtige Rolle spielt. „Ursache dafür ist sicherlich auch, dass AM-Maschinen immer effizienter werden und so die Kosten pro Maschinenstunde sinken, während der Anteil der Pulverkosten am Endprodukt steigt. Mangelnde Transparenz und umfangreiche Anforderungen an Metallpulver, die in der Additiven Fertigung verwendet werden, machen den Vergleich von Pulvern auf dem Markt zudem zu einer mühsamen Aufgabe.“
Auch der Wohlers Report 2022 stellt fest, dass in der Metallpulver-Industrie Verkaufspreise in der Regel nicht veröffentlicht werden und „zwischen Herstellern, Händlern und Kunden vertraulich bleiben“. Für Yannik Wilkens lag es da nahe, dass der AM-Markt eine Möglichkeit braucht, um die Preise und die verschiedenen Spezifikationen geprüfter Pulverhersteller einfach vergleichen zu können, und er gründete zusammen mit Tobias Brune und Daniel Hariri das Unternehmen Qualloy, das Ende 2022 unter gleichem Namen einen digitalen Marktplatz für Metallpulver launchte. „Damit wollen wir den Einkauf von Metallpulvern transparenter und günstiger machen.“ Neben den möglicherweise günstigeren Preisen will Wilkens auch den Beschaffungsprozess verschlanken: „Bisher war es gar nicht so einfach, am Pulvermarkt Qualitäten und Preise zu vergleichen.“ Viele Anfragen würden einen hohen Aufwand für Einkäufer und Verkäufer verursachen. Zusätzlich erschwert würde der Prozess oftmals durch unterschiedliche Qualitätsangaben aufgrund anderer Messmethoden oder Parameter. „Der Vertriebsaufwand, um ins Geschäft zu kommen, ist momentan sowohl für Einkäufer als auch für Verkäufer recht hoch, was gerade bei kleineren Bestellmengen lästig ist.“
Yannik Wilkens, Co-Gründer der Materialplattform Qualloy. Bild: Qualloy
Auf der Plattform Qualloy bieten derzeit zwei Pulverhersteller verschiedene Metallpulver an, weitere sind im Zertifizierungsprozess. Bild: Qualloy
Pulverpreis teilweise rückläufig
Dass die Zahl der Anbieter von Metallpulver immer weiter steigt, hat laut Maximilian Munsch von Ampower bereits dazu geführt, dass „in einigen Bereichen der Pulverpreis in den letzten Jahren entsprechend stark nachgegeben hat, wie zum Beispiel bei Titanwerkstoffen für die PBF-Prozesse. Hier haben sich Pulverpreise in den letzten Jahren nahezu halbiert. Bei anderen Werkstoffen bewegten sich die Preise auf relativ konstantem Niveau, zum Beispiel bei Edelstählen.“
Auch beim etablierten Pulveranbieter Fehrmann Materials hat man den Trend erkannt, dass Kunden beim Preis deutlich sensibler reagieren, als das früher der Fall war. „Die Preissensibilität ist so hoch, dass selbst Beträge von unter einem Euro pro Kilo zu ernsthaften Diskussionen mit Partnern führen können“, so Vertriebsleiter Jan-Peter Derrer.
Auch Derrer, der selbst schon seit fast 20 Jahren in der AM-Branche arbeitet, ist davon überzeugt, dass eine Steigerung des industriellen 3D-Drucks eine deutliche Senkung des Preises erfordert. Der Spielraum dafür sei durchaus vorhanden, weil die „weltweit produzierten Pulvermengen inzwischen so groß sind, dass die Anbieter Skaleneffekte weitergeben können“.
Preisoffensive bei Standardmaterialien
Als Reaktion darauf hat Fehrmann seine Preisstrategie bei den Standardmaterialien modifiziert. „Wir sind auf der Formnext 2022 in die Offensive gegangen und haben unsere Pulver zu extrem attraktiven Preisen angeboten“, so Derrer. „Das hat dazu geführt, dass wir während der Formnext fast unseren gesamten Lagerbestand verkauft haben. Außerdem hat uns das gezeigt, wie sensibel dieser Bereich ist und wie dankbar die Leute sind, wenn es in die richtige Richtung geht.“
Das Ziel von Fehrmann ist dabei, den Pulverbedarf der Kunden zu bündeln, um so durch große Einkaufsmengen günstigere Preise zu erzielen, die dann weitergegeben werden können. Die Steigerung der Verkaufsmenge und der Zahl der Kunden soll sich letztendlich auch beim Verkauf der von Fehrmann entwickelten Sonderlegierung AlMgty bezahlt machen. „Im persönlichen Dialog werden oft neue Ideen geboren, aus denen dann neue Projekte entstehen“, erläutert Derrer und liefert gleich ein Beispiel dafür mit: „Einer unserer Kunden wollte 3D-gedruckte Aluminiumteile tiefschwarz eloxieren. Bei herkömmlichem AlSi10Mg funktioniert das allerdings nicht gut. Hier eignet sich AlMgty viel besser.“
Konstante Qualität als Kaufkriterium
Etwas zurückhaltender schätzt dagegen Andreas Pelz, Gründer und Geschäftsführer der m4p Deutschland mit Sitz in Magdeburg, die Bedeutung des Pulverpreises ein. „Das Kaufkriterium unserer Kunden ist im Wesentlichen, dass wir seit Jahren eine konstante Qualität liefern und keine Reklamationen hatten – insbesondere aufgrund weitreichender Qualitätssicherungsmaßnahmen. Und natürlich spielt auch der Preis eine Rolle. Allerdings ist das nicht das Thema Nummer eins.“ So habe den Markt in der jüngsten Vergangenheit auch das Thema Versorgungssicherheit beherrscht, „da waren wir unter permanentem Druck, unser Lieferversprechen einhalten zu können“.
M4p macht einen großen Teil des Umsatzes mit Standardmaterialien wie AlSi10Mg, Kupfer- oder Nickellegierungen, Titan oder diversen Stählen. Insgesamt hat das Unternehmen 54 solcher Standardmaterialien im Programm. „Diese sind ab Lager verfügbar, wir haben dazu Standardparameter und eine definierte Prozesskette“, so Pelz. Darüber hinaus bietet m4p kundenspezifische Pulvermaterialien an, was das gesamte Produktportfolio des Unternehmens auf 188 Artikel hat anwachsen lassen. Für Pelz offenbart das auch die Vielfalt an Material- und Verfahrensvarianten in der Additiven Fertigung – von LPbF und EPbF über DED bis hin zu Binder Jetting.
Sondermaterialien künftig mit mehr Gewicht
Sondermaterialien sind ohnehin das Thema, das das FuE-Team um Pelz mit Leidenschaft umtreibt. „Hier arbeiten wir an vollkommen neuartigen Werkstoffen, die sich auch nur mittels der additiven Technologie verarbeiten lassen.“ Weitere Innovationssprünge erwartet Pelz auch durch neuartige MMC-Verbundwerkstoffe („metal matrix composite“) und im Bereich der Aufbereitung von Metallpulvern.
Auch bei Fehrmann spielt die Entwicklung weiterer Sonderlegierungen eine wichtige Rolle, auch wenn die Standardmaterialien noch für den deutlich überwiegenden Teil des Umsatzes sorgen. „In Zukunft erwarten wir hier eine deutliche Steigerung“, so Derrer.
Bei der Entwicklung von Legierungen hat Fehrmann Materials nicht nur den additiven Prozess im Blick, sondern alle Fertigungsverfahren, die über den Lebenszyklus eines Bauteils eingesetzt werden. „Das reicht vom 3D-Druck im Prototyping über die Klein- und Großserie, beispielsweise im Druckguss, Sandguss oder Strangpressen, bis zum Ersatzteil – wieder im 3D-Druck“, so Derrer. Bei der Materialentwicklung setzt Fehrmann zunehmend auf künstliche Intelligenz, um schneller und kostengünstiger neue Materialien zu entwickeln.
Qualloy
Die digitale Plattform, die Hersteller, Einkäufer und Anwender von Metallpulvern zusammenbringt, soll laut Co-Gründer Yannik Wilkens für mehr Transparenz sorgen und damit auch das Preisniveau insgesamt senken. „Der Nutzer findet über Qualloy in kürzester Zeit das passende Pulver für seine Maschine und Spezifikation und kann zwischen verschiedenen geprüften Herstellern in Bezug auf Qualität, Preis und Lieferzeit wählen.“ Derzeit bieten auf der Plattform zwei Pulverhersteller verschiedene Metallpulver an, weitere sind im Zertifizierungsprozess.
m4p material solutions
Das Unternehmen wurde 2015 von Andreas Pelz gegründet, der selbst aus dem metallurgischen Bereich stammt. „Damals gab es wenig Materialien für den 3D-Druck, da habe ich Chancen in der Nische gesehen.“ Inzwischen hat m4p weltweit vier Standorte und plant, weiter zu expandieren.
Fehrmann Materials
Fehrmann Materials ist eine Tochter der Fehrmann Tech Group, eines Traditionsunternehmens aus Hamburg. Vor einigen Jahren hat sich das Unternehmen entschieden, einige seiner High-Performance-Aluminiumlegierungen auch für die Additive Fertigung verfügbar zu machen. Von den 50 Angestellten bei Fehrmann Materials beschäftigen sich rund 20 mit dem Thema Additive Fertigung. 2018 brachte Fehrmann Materials dann „AlMgty“ auf den Markt: eine Aluminiumlegierung mit Magnesiumanteil, die das Unternehmen in verschiedenen Varianten anbietet und die laut Vertriebsleiter Jan-Peter Derrer korrosionsbeständig ist und hohe Dehnungswerte aufweist. Zum Portfolio für die Additive Fertigung gehören zudem die Speziallegierung AlZnty5 sowie diverse Standardmaterialien vom Werkzeugstahl über AlSi10Mg bis hin zur Titan- und Kupferlegierung. Während das Unternehmen die eigens hergestellten Legierungen über ein qualifiziertes Partnernetzwerk verdüsen lässt, werden die Standardmaterialien international bezogen.
WEITERE INFOS UNTER:
Tags
- Werkstoffe und Halbzeuge
- Marktberichte und Studien
- Additive Fertigung
- Medizintechnik