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AM und Kunst

Zwischen Gemälden und OBJ-Dateien

Text: Thomas Masuch, 19.02.2024

Das Hamburger Künstlerduo Sutosuto nutzt bei immer mehr Projekten den 3D-Druck und sieht darin eine hervorragende Konkurrenz und Ergänzung zu traditionellen Formen der Kunst. Ein Auszug ihrer Arbeiten war im Art Space der Formnext 2023 zu sehen.

Gleich hinter der Eingangstür grüßen Captain Hamburg, die Rolling Stones und Udo Lindenberg, an der nächsten Ecke wartet ein Bär, der es sich auf einer überdimensionalen Currywurst gemütlich gemacht hat, und ein Blauwal, der durch ein Labyrinth aus Strohhalmen und Cocktailgläsern schwimmt. Das Atelier des Hamburger Künstlerduos Sutosuto (bestehend aus Susanne Dallmayr und Thomas Koch) beherbergt eine Traumwelt aus realen Charakteren und fantasievoll geschaffenen Figuren – jeweils mit einer Kombination aus Kreativität und Können auf Leinwand fixiert.

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Bild: Mesago / Mathias Kutt

Beim ersten Gang durch den Flur ahnt man allerdings noch nicht viel davon, dass hier im Atelier mehr 3D-Druck-Know-how zu finden ist als bei manchem industriellen AM-Anwender. Erst im Labyrinth verschiedener Werkstätten (inkl. Holzbearbeitung, Schleifen, 3D-Druck, Malerei) und der Kommandozentrale kommt nach und nach zum Vorschein, dass der 3D-Druck auch in dieser Kunstwelt im Hamburger Nordwesten Einzug gehalten hat und hier inzwischen einen wichtigen Platz einnimmt. 

„Let it brain“ auf dem Messeparkett

In Kooperation mit der Formnext 2023 präsentierte Sutosuto die Sonderschau AM Art Space, die sich zu einem Publikumsmagneten der Messe entwickelte. Im Zentrum der 63 Quadratmeter großen Sonderschau standen die aktuelle Ausstellung „Let it brain“ mit zahlreichen 3D-gedruckten farbigen und leuchtenden Gehirnen, das sich selbst konsumierende Monster Hazfat und zahlreiche großformatige Malereien, in denen zum Beispiel gesichtslose Menschen in Schutzanzügen durch eine karge, teilweise digital vernebelte Welt mäandern. „Das Feedback zu unserem Stand war überwältigend. Am besten veranschaulicht das ein Kommentar, den wir nicht nur einmal gehört haben: Bester Stand! Mehr davon!“, berichtet Susanne Dallmayr.

Das Künstlerduo hat in knapp 20 Jahren künstlerischer Arbeit ausgehend von der Malerei und Graffiti einen imprägnanten Kunststil entwickelt, der inzwischen auch großformatige Plastiken umgesetzt in additiven Verfahren umfasst. So sind die beiden nicht nur Designer, Maler und Zeichner, sondern genauso „Digital Artists und Skulpteure“. 

Let it brain: Der Art Space der Formnext 2023. Bilder: Thomas Masuch

Beide kennen sich seit der gemeinsamen Zeit an der htk Hamburg und sind auch privat ein Paar. Beruflich starteten sie zunächst in anderen Bereichen, Susanne Dallmayr, heute 37, als Illustratorin, Thomas Koch, 38, in einer Werbeagentur. 

Gleichzeitig behielten sie sich die Freiheit, neben ihren Jobs auch weiterhin Kunst zu machen, anfangs hauptsächlich Malen, Zeichnen und Graffitis. Da das recht gut lief, beschloss zuerst Thomas Koch, sich komplett der Kunst zu widmen, später ging Susanne Dallmayr den gleichen Weg. „Unser Netzwerk ist beständig gewachsen, gleichzeitig haben wir uns auch künstlerisch weiterentwickelt. So konnten wir von Anfang an ohne große Vertriebsoffensiven an Ausstellungen teilnehmen und fanden auch Abnehmer für unsere Kunst.“ Gleichzeitig konnten die beiden sogar großformatige, 4 bis 5 Meter breite Bilder umsetzen, zum Beispiel auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa 2 oder in der Bar des 25hour-Hotels in Hamburg. „Das ist im Prinzip der Traum eines jeden Kreativen, der die Kunst im Fokus hat.“

Erste Ideen in Richtung 3D-Druck

Und weil in der Bar noch eine Wand frei war, entstand 2015 die Idee, ein Peace-Kunstwerk aus verschlungenen Händen zu erschaffen (das bereits auf der Formnext 2022 ausgestellt wurde). Allerdings ließ sich das Konzept damals noch nicht umsetzen. „Die Erstidee, das Unterfangen mit Gipsabdrücken zu realisieren, wurde aufgrund von Gewicht und Komplexität schnell verworfen. Mangels Alternativen wurde das Konzept dann erst einmal in die Schublade gelegt“, erinnert sich Susanne Dallmayr. 

Da den beiden Künstlern das Konzept jedoch nicht aus dem Kopf ging, wurde die Schublade bereits im Folgejahr wieder geöffnet und über alternative Umsetzungsmöglichkeiten nachgedacht. Da sie schon länger mit 3D-Software konstruierten und modellierten, war der 3D-Druck die naheliegende Antwort. Entsprechend wurde ein erstes grobes Mockup im 3D-Raum erstellt und verschiedenste Dienstleister angefragt. Die Antworten waren allerdings ziemlich ernüchternd. „Entweder hieß es, das Ganze sei nicht druckbar, nicht kalkulierbar, oder man nannte uns einen Preis jenseits von 250.000 Euro, was für uns natürlich utopisch war“, so Dallmayr. 

Bilder: Sutosuto
Bilder: Sutosuto

Bilder: Sutosuto

Der lange Weg zum Peace-Zeichen

Da „Peace“ zu dieser Zeit nicht realisierbar schien, wurde stattdessen ein Monster erschaffen: Aus den Anfrageversuchen das Peace-Zeichen betreffend entstand eine Kooperation mit der Firma FKM Lasersintering. Daraus entstand „Hazfat – das sich selbst konsumierende Monster des Überkonsums“, eine 1,4 Meter hohe und 210 Kilogramm schwere Bronzeplastik, basierend auf einer 3D-gedruckten Opferform. „Die Technologie hat uns so geflasht, dass uns schnell klar war, dass wir damit weitermachen müssen, und da haben wir uns kurzerhand selbst ein 3D-Druck-Labor aufgebaut“, erklärt Dallmayr.

An den Abenden und in den Nächten nach der Arbeit an der Leinwand wurde emsig recherchiert: Druckertechnologie, Software, Dimensionen, Materialien … Heute findet sich im Atelier eine 3D-Druck-Werkstatt mit einem großformatigen FFF-Drucker und mehreren Stereolithografie-Druckern und sogar einem Upcycling-Loop, bestehend aus Schredder und Filament Maker, mit deren Hilfe aus Hausmüll neue Filamente hergestellt werden können. Viel Zeit abseits von Atelier und PC bleibt da allerdings nicht. „Ich würde nach vier Jahren gern einmal wieder länger als zwei Tage in Urlaub fahren“, gesteht Dallmayr, fügt aber auch gleich hinzu: „Wir sind Macher, selbst wenn wir mal etwas Luft haben, starten wir gleich wieder ein neues Projekt.“

In der Zwischenzeit ging es auch mit dem Peace-Zeichen weiter. Nach den ersten Drucken in der hauseigenen Werkstatt wurde schnell klar, dass das Werk am besten inhouse umzusetzen wäre. Weitere zweieinhalb Jahre gingen für digitale Konstruktion, das Sculpting und das Schreiben von Algorithmen ins Land, bis 2021 die rund 200 Hände hochaufgelöst gedruckt wurden. 

Fotos: Thomas Masuch

Es entstanden mehr als 100 Einzelteile, die dann zu einem imposanten Gesamtwerk von 2 × 2 Metern verklebt wurden. Die Oberflächen bearbeiteten beide so, dass sich der Eindruck von gegossenen Gipshänden ergab. Von der Oberflächenqualität waren auf der Formnext selbst Hersteller von 3D-Druckern so beeindruckt, „dass sie uns fragten, ob das wirklich 3D-gedruckt ist, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass sich damit solch feine, detaillierte Oberflächen bei dieser Objektgröße realisieren lassen“, erinnert sich Thomas Koch. 

Vom Künstler zum AM-Experten

Voraussetzung dafür war eine Pionierarbeit, wie sich 3D-Druck in der Kunst einsetzen lässt: Schleifen, tagelange Nacharbeit, das Studium von Maschinen, technischen Besonderheiten, der Wartung der Drucker, der Größe der Komponenten und der Verwendung von Stützstrukturen. Das 3D-Druck-Know-how ist inzwischen so groß, dass Thomas Koch auf der Formnext bereits Jobs als Techniker oder Konstrukteur angeboten wurden.

Ist denn das Ganze dann noch Kunst oder eher Technik? „Auch die technische Arbeit ist Kunst, Ingenieurskunst“, betont Koch. Langfristig wollen die beiden Künstler den 3D-Druck noch enger mit ihren anderen künstlerischen Produktionstechniken verschmelzen – so denken sie zum Beispiel an eine Kombination aus Malerei und 3D-gedruckten Skulpturen. 

„Super Konkurrenz zu alten Formen der Kunst“

Inzwischen stammt rund die Hälfte der Arbeiten von Sutosuto aus dem 3D-Drucker. Vor allem für ihre freie Kunst nutzen Dallmayr und Koch die Additive Fertigung. Damit sind Kunstprojekte ohne konkreten Auftrag gemeint, wie zum Beispiel die Hazfat-Skulptur oder das Peace-Zeichen, bei denen Sutosuto ihre Philosophien frei von Einflüssen oder Konzepten umsetzen können, aber auch die teilweise fünfstelligen Produktionskosten selbst tragen müssen. „Das ist für unser Selbstverständnis wichtig, aber auch ein Investment in unsere Zukunft als Künstler“, erklärt Koch. Das Selbstverständnis der beiden Künstler bewegt sich in einem Feld zwischen Nachhaltigkeit und demokratischem Aufbruch, dem Kampf des Guten und der Menschlichkeit gegen Diktatoren, Unterdrückung, digitale Übersättigung oder Umweltverschmutzung. 

Der Art Space der Formnext 2023 bot während der gesamten Messezeit Raum für Austausch und Diskussionen. Bild: Mesago / Mathias Kutt
Der Art Space der Formnext 2023 bot während der gesamten Messezeit Raum für Austausch und Diskussionen. Bild: Mesago / Mathias Kutt

Aber auch bei den Auftragsarbeiten steigt der Anteil 3D-gedruckter Skulpturen immer weiter. „Die Additive Fertigung ist für uns eine Möglichkeit, klassische, sehr energieintensive Produktionsformen für die Herstellung von Skulpturen, wie zum Beispiel Kupfer- oder Bronzeguss, abzulösen und eine Qualität zu liefern, bei der man auf den ersten Blick nicht sieht, dass die Objekte 3D-gedruckt sind“, so Koch, und seine Partnerin Dallmayr ergänzt: „Der 3D-Druck ist eine super Konkurrenz zu alten Formen der Kunst.“

Dabei sind Dallmayr und Koch überzeugt, dass sie sich durch ihre bisherigen Arbeiten auf dem Kunstmarkt einen technischen Vorsprung erarbeitet haben. „Es gibt sonst kaum jemanden, der solche Projekte auf diesem Niveau umsetzen kann.“ Denn beim 3D-Druck seien Konzepte und digitale Files lange nicht ausreichend. „Entscheidend ist immer der Operator“, erklärt Koch und blickt dabei wohlwollend auf die Herausforderungen mit dem Peace-Zeichen und dem Hazfat-Monster zurück. „Hier haben wir wohl alle Schwierigkeiten, die man im Zusammenhang mit dem 3D-Druck haben kann, überwunden. Alles, was jetzt noch kommt, sollte uns nicht mehr schockieren.“ 

MEHR INFOS UNTER:

sutosuto.com

Tags

  • Design und Produktentwicklung
  • Additive Fertigung