Text: Thomas Masuch, 05.11.2024
Die Innovationen bei Systemen und Materialien machen immer wieder neue Anwendungen möglich. Und gerade dabei zeigt die Additiven Fertigung ihre Leistungsfähigkeit und welchen Mehrwert sie in verschiedenen Branchen schafft. Auf der Formnext 2024 präsentieren zahlreiche Aussteller neue Komponenten und Anwendungen. Dabei zeigt sich auch, dass insbesondere die Branchen Medizin und Aerospace wichtige Treiber der Entwicklung von AM sind. Die innovativen Anwendungen reichen von besseren Aortenmodellen für das Training von Chirurgen und einem Knochenersatz für eine Katze bis hin zu Bauteilen für die Satellitenkommunikation oder den Raketenantrieb. Aber auch traditionelle Branchen verbessern ihre Produkte dank AM immer weiter, was auch der Pumpenhersteller KSB unter Beweis stellt.
Eigenschaften des Gewebes exakt nachbilden
3Deus Dynamics präsentiert 3D-gedruckte Aortenmodelle, die speziell zur Verbesserung der chirurgischen Ausbildung und der präoperativen Planung entwickelt wurden. Laut Unternehmen besteht die Innovation bei diesen Modellen darin, dass sie die mechanischen Eigenschaften des menschlichen Gewebes genau nachbilden, was Chirurgen eine realistische und praxisnahe Trainingserfahrung ermöglicht. Diese Modelle werden aus Silikon hergestellt, das im Vergleich zu herkömmlichen Modellen aus Hartplastik oder Harz mehr Flexibilität und eine bessere taktile Rückmeldung bietet. 3Deus Dynamics bietet ein eigenes, patentiertes 3D-Druckverfahren für Silikon für die Herstellung komplexer und realistischer anatomischer Modelle. Jüngsten Studien zufolge werden durch den Einsatz von Simulationen mit 3D-gedruckten Modellen die Eingriffszeit und die Strahlenbelastung erheblich reduziert und die Leistung der Chirurgen um bis zu 40 % verbessert.
Knochenersatz für Katze
Die Veterinärmedizin profitiert in besonderem Maße von der schnellen Umsetzung und Anpassungsfähigkeit von AM. Anders als in der Humanmedizin, können hier gerade neu auf dem Markt erschienene oder für den Anwendungsbereich optimierte Materialien schneller eingeführt und erprobt werden. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der Fall einer Katze, die nach einem Hundebiss einen schweren Knochendefekt am linken Unterschenkel erlitt. Dank moderner Bildgebungstechniken wie dem CT-Scan konnte der österreichische Tierarzt Danilo Borak den Defekt erkennen und vermessen, was es CADdent ermöglichte, eine Knochenersatzstruktur zu konstruieren. Diese wurde anschließend im LCM-Verfahren (Lithography-based Ceramic Manufacturing) aus Hydroxylapatit gefertigt. Bereits drei Tage nach der Operation war wieder eine vollständige Belastung möglich. Die letzte Kontrolle sechs Monate nach der Operation zeigte, dass insgesamt alles komplikationslos verlaufen ist.
GGW-Filter mittels 3D-Siebdruck
Moderne Kommunikationssysteme wie Satelliten oder Mobilfunk benötigen höhere Datenraten und Kapazitäten. Deshalb kommen zunehmend höhere Frequenzbänder im Millimeterwellenbereich zum Einsatz. Mit zunehmender Frequenz nimmt jedoch die Wellenlänge ab, was bedeutet, dass auch die Komponenten solcher Systeme kleiner werden. Entsprechend schreitet die Miniaturisierung voran und erfordert Technologien, mit denen Bauelemente wie Filter, Antennen oder Diplexer realisiert werden können. Der dreidimensionale Siebdruck hat sich laut dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung (IFAM) als ideales Verfahren für diese Bauteile erwiesen. In einem gemeinsamen Projekt mit der European Space Agency (ESA) und der Universität Kiel konnten hervorrage Ergebnisse für die GGW-Technologie (Groove Gap Waveguide) erzielt werden. Die Qualität der im Projekt erzielten Bauteile ist mit derjenigen herkömmlicher, gefräster Teile vergleichbar. Der 3D-Siebdruck ist aber gleichzeitig bei großen Stückzahlen deutlich flexibler und kostengünstiger.
Neuer Schub für die europäische Raumfahrt
Um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Raumtransportsysteme zu steigern, entwickelt das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT im Projekt Enlighten zukunftsweisende Fertigungstechnologien für Raketenkomponenten. Neue Schubkraft für die europäische Raumfahrt soll dabei eine Düse eines Raketentriebwerks bringen, die im Laserauftragsschweißen (Laser Material Deposition, LMD) gefertigt wird. „Durch die vielfältigen Möglichkeiten der LMD-Technologie verbessern wir die Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit der Herstellung neuartiger Generationen von Raketendüsen drastisch“, erläutert Teilprojektkoordinator Min-Uh Ko. Die Düse des Fraunhofer ILT ist für den Einsatz als Komponente der nächsten Raketengeneration im Ariane-Programm ausgelegt. Tatsächlich ist die Raketendüse mit konventionellen Methoden bereits herstellbar. Doch die vielen derzeit nacheinander gelagerten Prozessschritte führen zeitlich wie kostentechnisch zu Herausforderungen.
Bild: Fraunhofer ILT
Von Kanälen durchzogener Spalttopf
Die KSB SE & Co. KGaA präsentiert auf der Formnext 2024 einen neuen, im 3D-Druckverfahren hergestellten Spalttopf für magnetgekuppelte Pumpen. Das „MagnoProtect“ getaufte Bauteil bietet die Sicherheit eines doppelwandigen Spalttopfes, ohne mit dessen Nachteilen wie einer starken Erwärmung und hohen Wirbelstromverlusten behaftet zu sein. Im Vergleich mit Spaltrohrmotorpumpen weisen die neuen magnetgekuppelten Ausführungen deutlich bessere Gesamtwirkungsgrade bei vergleichbarer Sicherheit auf. Mit seinem komplett von Kanälen durchzogenen Aufbau bietet der neue Spalttopf eine zweite, redundante statische Sicherheit gegenüber einer Leckage des Fördermediums.
MEHR INFOS UNTER:
Alle genannten Unternehmen finden Sie auf der Formnext 2024:
3Deus Dynamics: Halle 11.1, Stand B03
CADdent: Halle 12.1, Stand E79
Fraunhofer ILT: Halle 11.0, Stand D31
Fraunhofer IFAM: Halle 11.0, Stand D31
KSB: Halle 12.0, Stand B01M
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- Additive Fertigung