Text: Thomas Masuch; Fotos: Grohe — 21.05.2021
Sie sind exklusiv, puristisch, elegant und kein Fall für jedermanns Geldbörse: Mit Grohe Allure Brilliant und Atrio Icon 3D hat der Badarmaturen-Anbieter Grohe AG in den vergangenen zwei Jahren erstmals 3D-gedruckte Wasserhähne in sein Sortiment aufgenommen. Die rund 12.000 Euro teuren Luxusarmaturen, die im Stammwerk in Hemer produziert werden, sollen dabei nur der Anfang der additiven Reise von Grohe sein.
Wie viel der 3D-gedruckten Wasserhähne bereits verkauft wurden, möchte Grohe nicht verraten, doch in Zukunft soll die Stückzahl dieser Wasserspender gesteigert werden. Dafür will Thorsten Schollenberger, Leader Industrial Engineering, die additive Fertigung deutlich effizienter machen, was auch den Verkaufspreis der 3D-gedruckten Armaturen letztendlich reduzieren soll. Gleichzeitig will Schollenberger weiter nach neuen Produkten, die für den 3D-Druck infrage kommen, Ausschau halten.
Auf der Skala der Grohe-Produktkategorien, die sich vom Mittelpreis- bis hin zum Premiumpreissegment erstrecken, sind die aus Edelstahl 3D-gedruckten Wasserhähne ganz oben angesiedelt. Entsprechend exklusiv sind die neuen Besitzer der 3D-gedruckten Schmuckstücke: Die Grohe Atrio Icon 3D bereichert zum Beispiel die Ausstattung des weltgrößten Unterwasserrestaurants "Under", das an der Südküste Norwegens in die kalten Fluten taucht. Den Kundenkreis, zu dem bisher auch zahlreiche designaffine Privatpersonen gehören, möchte Thorsten Schollenberger deutlich ausbauen. Voraussetzung dafür sei aber eine deutliche Senkung der Produktionskosten. "Die müssen runter, sonst können wir das Produkt für eine größere Zielgruppe nicht zugänglich machen."
"Beim Schleifen und Bohren ist noch viel Handarbeit involviert – das ist manchmal aufwendig und passt nicht zu einer High-End-Produktion."
Hierfür hat Schollenberger bereits einen Plan entwickelt, der die Produktionszeit eines additiv gefertigten Wasserhahns von derzeit 52 auf gut 12 Stunden reduzieren soll. Im Vergleich zur konventionellen Fertigung ist das immer noch ein sehr großer Unterschied – die im Werk in Hemer im Niederdruckguss hergestellten Messingarmaturen haben eine Taktzeit von gerade einmal 10 bis 15 Minuten.
Bei Grohe Atrio und Allure Brilliant Icon 3D haben die Grohe-Designer das Volumen der Armaturen stark reduziert. Durch die additive Fertigung fallen die innen liegenden Wasserwege deutlich dünner aus, und es werden elegante Designs möglich, die mit konventioneller Fertigung nicht möglich waren. Mit einer höheren Absatzzahl der additiv gefertigten Armaturen will Schollenberger auch die AM-Produktion in Hemer, die derzeit über eine Jahreskapazität von 400 Wasserhähnen verfügt, besser auslasten.
"PASST NICHT ZUR HIGH-END-PRODUKTION"
Die additive Fertigung bei Grohe besteht aus zwei Trumpf-TruPrint-3000-Maschinen und einem vierköpfigen Team, das sich um Design, Maschinenbedienung und Nachbearbeitung kümmert. Aus der AM-Produktion gehen die Bauteile direkt in die Nachbearbeitung, wo Stützstrukturen entfernt und der Korpus der Armatur geschliffen, gebohrt und poliert wird. Gerade dieser Schritt sei von hoher Bedeutung, um ein hochwertiges Produkt mit makelloser Oberfläche zu erhalten – und hier sieht Schollenberger noch viel Potenzial für eine Effizienzsteigerung. "Beim Schleifen und Bohren ist noch viel Handarbeit involviert – das ist manchmal aufwendig und passt nicht zu einer High-End-Produktion."
Dabei hat Grohe derzeit nur eine der beiden Trumpf-Anlagen für die Produktion von 3D-gedruckten Armaturen im Einsatz. Auf der anderen entstehen Werkzeugeinsätze mit konturnaher Kühlung aus Messing. Die AM-Fertigung dieses sehr wärmeleitfähigen Materials hat sich Grohe bereits patentieren lassen. Die neuen Werkzeugeinsätze für Spritzgussmaschinen haben schon erste Tests erfolgreich absolviert und müssen sich nun im Dauereinsatz im Werk Porta Westfalica bewähren, wo sie die Produktion bereits effizienter gemacht haben. "Durch konturnahe Kühlung konnten wir die Zykluszeit schon um 20 Prozent reduzieren", freut sich Schollenberger. "Mit den Messing-Werkzeugen kommen wir nun auf rund 50 Prozent."
Trotz des recht überschaubaren Beitrags zum Umsatz haben die 3D-gedruckten Edelarmaturen bereits ihre Spuren im Unternehmen hinterlassen: unter anderem durch eine hohe Aufmerksamkeit und einen deutlichen Marketing- Mehrwert. Dazu hat Grohe inzwischen auch additives Know-how und additive Produktionserfahrung auf der Habenseite.
Gleichzeitig bedienen additive Wasserhähne einen Trend, bei dem das Badezimmer laut Grohe nicht mehr als abgeschlossener und der Hygiene dienender Raum betrachtet wird, sondern sich "als Wellnessoase" in den restlichen Wohnraum einfügt. Dazu spielt für Grohe auch die Möglichkeit der Individualisierung eine immer größere Rolle – eine Entwicklung, die die Tochter des japanischen Unternehmens Lixil als Zukunftstrend ausgemacht hat. Bisher zeigt sich dieser Trend beispielsweise in der Nachfrage nach einer größeren Farbvielfalt im Badbereich. Bei 3D-gedruckten Armaturen will Grohe laut Schollenberger diesen Trend weiter fortführen: Für die Zukunft kann er sich vorstellen, dass Grohe bei bestimmten Produkten eine Standardbasis anbietet, die sich individuell gestalten lässt. Der Kunde kann dann selbst oder mit Unterstützung eines Designers die finalen Konturen seiner Armaturen erstellen.
Grohe
Grohe ist eine globale Marke für ganzheitliche Badlösungen und Küchenarmaturen. Die Grohe AG beschäftigt in 150 Ländern insgesamt mehr als 6.500 Mitarbeiter – davon 2.600 in Deutschland. Seit 2014 gehört die Grohe AG zum Markenportfolio von Lixil, einem japanischen Hersteller von Wassertechnologien und Gebäudeausstattung.
grohe.de
AM-VERFAHREN:
Additive Manufacturing für Metalle/Powder Bed Fusion
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