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Partnerland Italien – Additive Fertigung

Warum es junge Talente neuerdings in den Süden zieht

Interview: Thomas Masuch, Bilder: Roboze - 17.09.2021

Roboze hat seit seiner Gründung im Jahr 2013 nicht nur eine der beeindruckendsten Start-up-Geschichten im Bereich der additiven Fertigung in Italien und Europa geschrieben, sondern das Unternehmen sorgt auch durch seine Lage für Aufmerksamkeit: Während so gut wie alle wichtigen Unternehmen im AM-Bereich in Italien im wirtschaftlich bedeutenden Norden des Landes angesiedelt sind, liegt die Firmenzentrale von Roboze im süditalienischen Bari in der Region Apulien. Wir haben uns mit dem 30-jährigen Firmengründer und CEO Alessio Lorusso darüber unterhalten, welchen Einfluss seine Heimat auf die Entwicklung seines jungen Unternehmens hatte und inwieweit das auf die heutige Internationalisierung von Roboze wirkt.

Alessio Lorusso hat Roboze 2013 gegründet
Alessio Lorusso hat Roboze 2013 gegründet

Alessio, der Süden Italiens, auch Mezzogiorno genannt, galt lange Zeit als wirtschaftlich unterentwickelt und abgehängt. Wie stellt sich die Region heute für ein junges Hightech-Unternehmen dar?

Alessio: Es hat sich bereits viel verändert. Sehr wichtige Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt oder dem Automobilsektor haben Produktionsstätten im Süden eröffnet. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns. Dennoch kann ich sagen, dass für unsere Region, für den Süden Italiens, jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um zu dem Ort zu werden, an dem die italienische Hightech-Industrie Fuß fassen muss. Warum? Weil wir vor allem großartige Universitäten und Technische Hochschulen haben, insbesondere die Polytechnische Hochschule Bari ist eine der besten in Italien. Wir haben unglaubliche Talente. Aber die Tatsache, dass es heute nur wenige Hightech-Unternehmen gibt, führt dazu, dass diese Talente nach Mailand, Turin, Deutschland oder in andere Länder gehen müssen, um ihren Traumjob zu finden.

Roboze bildet da offenbar eine Ausnahme. Ihr habt nicht nur Talente aus der Region bei euch gehalten, sondern sogar Arbeitskräfte aus Norditalien oder dem Ausland überzeugt, nach Bari zu ziehen. Was hat sie dazu bewogen, abgesehen davon, dass sie nun für ein interessantes Unternehmen arbeiten?

Alessio: Ein wichtiger Faktor ist, dass die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Mailand, Turin, München oder anderen europäischen Großstädten fast um die Hälfte niedriger sind. Man kann hier eine viel ausgewogenere Balance zwischen Arbeitszeit und Privatleben finden. Und die im Verhältnis günstigeren Lebenshaltungskosten schaffen auch die Möglichkeit, in der Freizeit mehr zu unternehmen. Bei uns in Bari arbeiten Deutsche und Spanier, wir haben viele Ingenieure aus Mailand und Turin.

Das klingt, als wäre der Standort in Apulien ein echter Vorteil …

Alessio: Das ist in der Tat so. Auch wenn man über Technologie, über Endanwendung oder irgendetwas anderes spricht – hinter all diesen Dingen stehen Menschen. Daher bin ich sehr stolz darauf, dass wir die Möglichkeit haben, die Talente zu halten und das Wissen aus dem Norden zurückzuholen.

Die Fimenzentrale von Roboze in Bari
Die Fimenzentrale von Roboze in Bari

Als du vor acht Jahren angefangen hast, kamen deine Mitarbeiter wahrscheinlich mehr oder weniger aus Bari. Wie hat sich das entwickelt?

Alessio: Als ich anfing, gab es nur mich. Aber ja, am Anfang kamen die Mitarbeiter natürlich aus Bari und der Region Apulien. Das hat sich stark geändert: Wir sind sehr attraktiv für Leute geworden, die auch aus anderen Orten kommen. Wenn wir also von Bari, unserem italienischen Hauptsitz, sprechen, stellen wir jetzt Leute aus ganz Europa ein, wir haben jetzt also ein internationales Unternehmen und ein internationales Umfeld. Das ist einfach wunderbar.

Und woher kamen am Anfang oder in den ersten Jahren eure Lieferanten?

Alessio: 99 Prozent der Lieferanten kamen aus der Gegend um Bari. Mit der Zeit haben wir dann auch unsere Lieferantenbasis erweitert. Jetzt haben wir eine ganze Reihe von Lieferanten, darunter einige aus Norditalien, Deutschland, Frankreich und auch aus anderen Ländern. Aber ich möchte betonen, dass 80 Prozent unserer Produkte hauptsächlich aus italienischen Teilen bestehen. Es handelt sich also sehr, sehr stark um ein „Made in Italy“-Produkt.

Wie du erwähnt hast, wird Roboze immer internationaler und hat Niederlassungen in den USA und in Deutschland. Wie wichtig ist es, ein regionales, italienisches Netzwerk für Kunden und Lieferanten zu haben?

Alessio: Ich denke, dass es wichtig ist. Der Ort, an dem wir die Technologie entwickeln, muss Italien bleiben, er muss Bari bleiben, wo unser technologisches Zentrum ist. Natürlich bauen wir unser Netzwerk und unsere Geschäftsmöglichkeiten in den beiden anderen großen Ländern aus, wo wir unsere Präsenzstärke doppelt haben. In den USA haben wir den gesamten Betrieb, das Marketing, den Kundensupport, die Technik und ein Anwendungszentrum. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres möchten wir das alles auch in Deutschland haben, sodass wir sehr bald 10 Mitarbeiter in München haben werden. In den USA sind wir bereits fast 15, und wir planen, in den nächsten Monaten weitere 50 Mitarbeiter einzustellen.

Hat die Erfolgsgeschichte von Roboze eigentliche andere Gründer in Bari inspiriert und dort so etwas wie eine Start-up-Szene entstehen lassen?

Alessio: Nun, so etwas muss erst noch geschaffen werden. Die Region Apulien bietet viele Zuschüsse und Vergünstigungen für Unternehmensgründungen, insbesondere für Hightech-Unternehmen. Auch wir haben Zuschüsse bekommen, um das Unternehmen und die Technologie aufzubauen. Das Wichtigste ist, dass es den Gründern hilft, Mut zu fassen. Denn Mut ist das Entscheidende.

Im Fall von Roboze half ja auch eine recht große Finanzspritze …

Alessio: Richtig, allerdings hatten wir in den ersten Jahren keinerlei finanzielle Unterstützung – wir mussten unsere eigenen Barmittel nutzen, um an diesen Punkt zu gelangen. Als das Unternehmen wirklich an dem Punkt war zu investieren und neue Mitarbeiter einzustellen, haben wir Geld aufgenommen. Das war im Jahr 2018 eine Investition von Intesa Sanpaolo, einer der größten europäischen Banken. Die Investition stammte aus besonderen Finanzmitteln, die von der Europäischen Union zur Verfügung gestellt wurden und für die Technologieentwicklung verwendet werden mussten. Wir hatten also diese erste Investitionsrunde nicht mit der Europäischen Union, sondern mit einer privaten Risikokapitalfirma, die die Mittel der Europäischen Union verwaltete.

Rbz_4space
Rbz_Duct-Aerospace
Rbz_Metal-Replacement

Diverse von Roboze gedruckte Bauteile, unter anderem für die Aerospace-Industrie. Einige Bauteile sind aus Carbon PEEK, einmal wurde ein Metallbauteil durch eines aus Carbon-PA ersetzt.

Wenn du auf die vergangenen Jahre zurückblickst, kannst du einige wichtige Schritte oder Meilensteine nennen, die die Entwicklung deines Unternehmens entscheidend verändert haben?

Alessio: Um ehrlich zu sein, gibt es bei dieser Art von Abenteuer keine großen, bahnbrechenden Schritte, sondern viele kleine. Ich denke, der wichtigste Schritt ist, sich jeden Tag auf die kleinen Schritte zu konzentrieren. Das ist der Schlüssel, denn der 3D-Druck ist ein langfristiges Unterfangen. Das ist keine Kryptowährung. Es ist nicht etwas, das in ein paar Jahren auftaucht und wieder verschwindet. Wir sind in der Fertigung tätig, wir verändern das Paradigma der Fertigung, und das ist ein langer Weg.

Aber vielleicht kannst du uns eine wichtige Wegemarkte nennen, auf die du gerne zurückblickst?

Alessio: Für uns waren die Aufträge, die wir 2016 von GE erhalten haben, unglaublich wichtig. Warum? Weil wir 2015 zu den Ersten gehörten, die das PEEK-Material im 3D-Druckbereich eingeführt haben. Man stelle sich also vor, GE aus dem Bundesstaat New York kauft eine Maschine von uns in Bari, und wir waren damals vielleicht 12 Mitarbeiter. Wir haben uns gefragt: „Leute, was ist hier los? GE hat eine unserer Maschinen gekauft. Warum?“ Also kam ich hierher nach Amerika, nach New York, und installierte hier persönlich unseren Drucker, weil ich verstehen wollte, warum GE sich so entschieden hatte. Und dann verstand ich es, denn sie hatten alle anderen Drucker untersucht und unseren als den präzisesten und besten für die Verarbeitung von Hochtemperaturpolymeren bewertet. Damit war ich mir sicher, dass wir das richtige Produkt für den Markt gefunden hatten und auf dem richtigen Weg waren.

Lass uns abschließend über die Zukunft sprechen: Was sind eure nächsten Schritte?

Alessio: Die Welt erobern, das ist das Ziel … Nein, das war ein Scherz. Das Ziel ist jetzt, gewaltig zu wachsen, denn wir haben unsere Technologie bei einigen großen Aerospace- und Automobilunternehmen in der ganzen Welt sowie bei großen Industrieführern in Deutschland, den USA, Italien und anderen Ländern validiert. Unternehmen in 24 Ländern nutzen unsere Maschinen, um echte Endverbrauchsteile zu produzieren. Das Ziel des Unternehmens ist es nun, den Einsatz unserer Technologie auf dem großen 3D-Druck-Markt massiv zu steigern, in den nächsten 12 Monaten weitere 80 Mitarbeiter einzustellen und dramatisch zu wachsen, d. h. in den nächsten Jahren 250 Mitarbeiter zu beschäftigen.

Alessio, vielen Dank für diese Einblicke und das Gespräch mit uns.

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