Text: Thomas Masuch, 15.02.2024
Die AM-Branche in Osteuropa entwickelt sich äußerst erfolgreich und profitiert auch vom dynamischen wirtschaftlichen Umfeld.
Das im Bereich der Additiven Fertigung in Osteuropa führende Land dürfte Polen sein – von hier stammen nicht nur zahlreiche innovative Start-ups und renommierte Unternehmen wie Sinterit oder Zortrax. Auf der Formnext 2023 waren insgesamt 15 Aussteller aus Polen vertreten, darunter mit Progresja New Materials auch ein Sieger der Formnext Start-up Challenge. Zudem haben internationale AM-Dienstleister wie Align Technology hier Produktionsstätten aufgebaut.
Auch Tschechien hat sich als AM-Standort erfolgreich entwickelt – neben Prusa sind hier unter anderem zahlreiche Materialhersteller beheimatet. Der 3D-Druck spielt aber auch in Ländern wie Ungarn, Rumänien, Bulgarien oder Griechenland eine immer stärkere Rolle. Zum Beispiel wird in Rumänien Additive Fertigung an Universitäten (z. B. in Brașov, Bukarest oder Cluj) unterrichtet, zudem haben sich hier leistungsstarke Dienstleister wie NUT Technologies oder CAD Works etabliert.
In den südosteuropäischen Ländern „befindet sich die Additive Fertigung in einer Phase des dynamischen Wachstums“, erklärt Tasos Poligenis, der als Marketing Specialist beim griechischen AM-Händler Anima einen sehr guten Überblick über diese Region hat. „Auch wenn der 3D-Druck in diesen Ländern noch nicht das Niveau erreicht hat wie in Westeuropa, ist der Aufwärtstrend bei der Einführung und Nutzung von AM signifikant, und die Zahl der Anwendungen steigt kontinuierlich.“
Abgaskrümmer und Knochenfeile
Treiber der Entwicklung sind laut Poligenis vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Wichtige Branchen sind dabei die Automobilindustrie, die Luft- und Raumfahrt, das Gesundheitswesen und die Konsumgüterindustrie. Im Automobilsektor nutzen Unternehmen den 3D-Druck für Prototyping und die Herstellung von Fertigteilen – wie zum Beispiel das MotoGP-Team des rumänischen Software-Entwicklers CryptoData. „So werden zum Beispiel Abgaskrümmer mit hitzebeständigen und langlebigen Materialien 3D-gedruckt, was zu leichteren und dennoch robusten Konstruktionen führt, die den extremen Temperaturen und Drücken im Abgassystem standhalten“, erklärt Poligenis.
Im Gesundheitssektor werden die Vorteile von AM erforscht und genutzt, um zum Beispiel medizinische Geräte herzustellen, die auf die individuellen Bedürfnisse von Ärzten und Patienten zugeschnitten sind. „Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist ein Projekt in Griechenland, bei dem ein spezielles medizinisches Werkzeug – eine Knochenfeile – 3D-gedruckt wurde“, so Poligenis. Aufgrund der geringen Größe und des komplizierten Designs einschließlich der spezifischen Winkelung der Einkerbungen konnte die Knochenfeile nur sehr schwer mit herkömmlichen Fertigungsmethoden hergestellt werden.
20 bis 30 Prozent Wachstum
Für die nächsten Jahre rechnet Poligenis damit, dass der AM-Markt in Osteuropa sein rasantes Wachstum weiter fortsetzt. „Wir rechnen mit einer jährlichen Wachstumsrate von 20 bis 30 Prozent in den nächsten drei bis vier Jahren. Und wenn es weitere technologische Entwicklungen gibt, wovon wir ausgehen, kann dieses Wachstumstempo auch noch weitere zehn Jahre gehalten werden.“
Dabei profitiert die Entwicklung der AM-Welt in Osteuropa von einer sehr soliden generellen wirtschaftlichen Entwicklung, die deutlich dynamischer verläuft als in den meisten westeuropäischen Ländern. Für 2024 wird in Rumänien ein Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent erwartet, gefolgt von Ungarn mit 2,8 Prozent, Polen mit 2,7 Prozent und Bulgarien mit 2,6 Prozent. Im Vergleich dazu liegen die Erwartungen für Deutschland mit +0,3 Prozent deutlich zurück, für die USA werden 1,7 Prozent erwartet, für Frankreich 1,4 Prozent. (Quellen: EBRD, BDI, US-Zentralbank, Finanzministerium Frankreich)
Diversifizierung der Lieferketten
Die wirtschaftliche Entwicklung wird unter anderem durch die Diversifizierung der Lieferketten von westeuropäischen Unternehmen angetrieben (Nearshoring). Dabei gilt Osteuropa als zuverlässiger Standort, weshalb Mittel- und Osteuropa eine bevorzugte Region für Unternehmen bei der Suche nach Zulieferern ist. Dabei punktet Osteuropa nicht nur mit motivierten Arbeitskräften, sondern auch mit günstigen Arbeitskosten. In Bulgarien liegen diese unter 10 Euro pro Stunde, in Deutschland dagegen kalkulieren Unternehmen mit rund dem Vierfachen.
Beispielhaft für die Modernisierung der Region ist der Business Park Sofia, der eher an einen modernen Industrie-Campus in den USA erinnert. Hier haben sich internationale Konzerne wie Sony, HP, Unilever und KPMG angesiedelt.
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