10.09.2022
VLM Robotics hat sich auf die Additive Fertigung mit Robotern spezialisiert und dafür auch individualisierbare industrielle Fertigungszellen entwickelt. Damit fokussiert sich das französische Familienunternehmen aus der Nähe von Bordeaux vor allem auf die Herstellung möglichst großer Bauteile in geringer Stückzahl oder von Einzelteilen.
Dass ein Unternehmen aus der Welt des 3D-Drucks auch im Bereich der Weinproduktion tätig wird, ist sicherlich an erster Stelle im Land der Sommeliers möglich – und hier spielt die Nähe zur Weinmetropole Bordeaux eine wichtige Rolle. Der Unternehmenssitz des familiengeführten Technologieunternehmen VLM Robotics liegt in einem Industriegebiet von Le Barp, rund 30 Kilometer von Bordeaux entfernt und auf halben Weg nach Arcachon an der Atlantikküste.
Bereits auf der Formnext 2021 hatte des 25 Beschäftigte zählende Unternehmen den Prototype einer rund 2 Meter hohen 3D-gedruckten Form für ein Weinfass präsentiert. Diese entstand in Kooperation mit Siemens, dem Straßburger Forschungsinstitut Irepa Laser und dem Weinfasshersteller Wine & Tools aus Bordeaux. Mit der Form und möglichen Nachfolger-Modellen sollen neuartige Weinfässer gefertigt werden, die auch eine hochwertige Weinreifung ohne Barrique-Fässer ermöglichen (siehe Artikel).
Herzstück der Fertigungszellen von VLM Robotics ist die DED-Technology (Direct Energy Deposition): Mittels eines Roboters wird vorzugsweise Draht (auch Pulver möglich) aufgetragen und daraus ein Bauteil geformt. „Unser Ziel ist es dabei, möglichst große Teile von bis zu mehreren Metern in sehr kleiner Stückzahl und nach industriellen Standards in 3D zu drucken“, erklärt Philippe Verlet, Gründer und CEO von VLM Robotics. „Dabei geht es weniger um Produktivität als vielmehr um Agilität und um die Schaffung von Added Value.“
„Vorreiter bei der Industrialisierung des 3D-Drucks“
„Bei der Entwicklung der AM-Zellen spielen neben dem Engineering vor allem die Software und die Steuerung eine wichtige Rolle“, erklärt Béatrice Rivalier, die bei VLM Robotics für Forschung und Entwicklung sowie Marktentwicklung zuständig ist. Deshalb arbeitet VLM Robotics eng mit Siemens zusammen und ist dabei sogar der einzige „Robotic Machine Tools Systems Solutions“-Partner in Frankreich. „Damit sind wir in Frankreich ein Vorreiter bei der Industrialisierung des 3D-Drucks“, erklärt Rivalier stolz. Die Partnerschaft mit Siemens geht dabei weiter über die Verwendung der Siemens-Lösungen (CNC, Steuerung, NX und andere) hinaus: „Wir tauschen zum Beispiel auch technisches Wissen aus, arbeiten zusammen in Forschungsprojekten oder entwickeln spezielle additive Produktionslösungen für unsere Kunden und Partner.“
Dass das Unternehmen aus dem Süden Frankreichs gerade mit Siemens zusammenarbeitet, hat auch einen technischen Hintergrund: „Für den industriellen 3D-Druck braucht man mehr als eine Software – da braucht es auch eine Steuerung, Lösungen für die Integration in den Produktionsprozess und vieles mehr“, erklärt Verlet. Damit schafft VLM Robotics mit einer „numerischen Konstante“ die Voraussetzung dafür, dass es seinen Kunden, die überwiegend Hersteller aus der Luftfahrt, dem Schienenverkehr oder der Energiebranche sind, schlüsselfertige Lösungen bereitstellen kann.
Neben den standardisierten Zellen bietet VLM Robotics auch individuelle Lösungen: Zum Beispiel können komplementäre Funktionen für die Vor- und Nachbearbeitung integriert werden. Damit dies reibungslos funktioniert, testete VLM Robotics beispielsweise anhand von mehreren 3D-gedruckten 0,3–0,8 Millimeter breiten Stahlschichten, wie diese gefräst werden können. Das ist nicht so einfach, wie es scheint, „denn wir können ja in der Zelle keine Kühlflüssigkeit verwenden und müssen deshalb die Parameter sehr fein abstimmen, um die Werkzeuge nicht zu überhitzen und trotzdem produktiv arbeiten zu können“, erklärt Verlet.
Zur industriellen Lösung vom 3D-Druck mit Robotern gehört bei VLM Robotics auch, dass der Druckprozess überwacht werden kann. Hierfür kann zum Beispiel ein zweiter Roboter mit Sensoren zur Prozessüberwachung ausgestattet werden und den Aufbau dokumentieren. „Mit dieser patentierten Lösung verfolgen wir unsere Philosophie, alles rund um das Werkstück stattfinden zu lassen, ohne das Werkstück zu bewegen“, so Verlet. „Für diese Art der agilen Fertigung erfahren wir auch eine immer höhere Nachfrage aus der Industrie.“
Forschung und Produktion
Zum Einsatz kommen die die Fertigungszellen zum Beispiel bei Forschungsprojekten und bei Forschungsinstituten sowie in der Produktion bei einem Tier-1-Kunden aus der Luftfahrt sowie bei Poly-Shape in Aix-en-Provence oder bei der SNCF. Der französische Bahnriese fertigt damit Ersatzteile für seine Schienenfahrzeuge.
Bisher hat sich VLM Robotics stark auf den französischen Markt konzentriert, CEO Verlet möchte den Geschäftsradius aber deutlich ausweiten und setzt dabei auf drei neue Maschinen, mit denen er den Bauraum von einem Kubikmeter auf mehrere erweitert: Comp@qt, Solo und Gemini (Letztere enthält zwei Roboter). „Wir haben in Frankreich viele Großkonzerne zum Beispiel in den Bereichen des Schiffs- und Flugzeugbaus oder der Atomkraft, aber leider keine großen Maschinenhersteller mehr. Deshalb ist die Kooperation mit Deutschland umso wichtiger“, erklärt Verlet, der vor der Gründung von VLM Robotics mehrere Jahre für ein deutsches Unternehmen gearbeitet hatte und fließend Deutsch spricht.
Beim Austausch mit bestehenden und neuen Geschäftspartnern hat Philippe Verlet die Erfahrung gemacht, dass insbesondere die DED-Technologie „in immer mehr Unternehmen Anwendung findet und Bedarf nach konkreten DED-Bauteilen herrscht. Doch oftmals ist die benötigte Stückzahl so gering, dass sich die Anschaffung einer Maschine nicht rentiert.“ Allerdings gibt es laut Verlet in Frankreich keinen Service-Provider, der entsprechend große DED-Bauteile anbietet. Das liege unter anderem daran, dass die Technologie (im Gegensatz zur SLM-Technologie) recht jung und weniger etabliert sei. Deshalb fertigt VLM Robotics auf Anfrage solche Bauteile selbst und fungiert so nicht nur als Maschinenhersteller, sondern auch als Teileproduzent. Langfristig rechnet Verlet zudem damit, dass sich dadurch der Bedarf bei den Anwendern erhöht und nach und nach auch in Maschinenverkäufen resultiert.
Darüber hinaus sieht Verlet auch in anderen Bereichen Chancen für seine Technologie, zum Beispiel in der Herstellung großer Formen, von Ersatzteilen oder bei Anwendungen in der Raumfahrt. „Wir können Formen für Weinfässer genauso bauen wie Raketentanks.“ Entscheidend dabei sei aber auch, dass die Anwender das Potenzial der Additiven Fertigung erkennen und sich dafür entscheiden, es für sich zu nutzen. Dieses Potenzial will VLM Robotics auch auf der Formnext 2022 zeigen: Hier ist das Unternehmen auf dem Gemeinschaftsstand der Region Nouvelle-Aquitaine präsent und will einen Teil seiner neuen, extragroßen Fertigungszelle vorstellen.
WEITERE INFORMATIONEN UNTER:
Tags
- Automatisierung und Handling
- Additive Fertigung