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Kolumne Schräg gedacht

Erfolgsweg oder Sackgasse?

Text: Thomas Masuch, 17.05.2024

In meinem Freundeskreis hat es sich eingebürgert, dass einige Mitglieder dieses Zirkels Spitznamen verliehen bekommen, die in der Regel auf eine Eigenart oder eine mehr oder weniger amüsante Lebensepisode zurückgehen. In einem Fall hatten wir recht leichtes Spiel: Es handelt sich um einen Zeitgenossen mit einer eher kritischen Lebenseinstellung. Egal, was man ihm erzählt, er ist nie einverstanden oder positiv angetan. In jeder Suppe findet er ein Haar. Und falls unserem Freund, den wir Negativo getauft haben, mal im Lotto gewinnt, würde er sich wohl darüber beklagen, dass er sich jetzt auch noch um die Geldanlage kümmern muss. 

Vor ein paar Tagen ist mir bewusst geworden, dass wir ihm vielleicht unrecht getan haben. In einem Podcast zum Thema Investment wurde die Strategie der Via Negativa propagiert. Damit ist gemeint, dass erfolgreiche Investoren nicht unbedingt ein Gespür für seltene Perlen haben müssen, sondern dass sie vor allem Fehler vermeiden. Milliardär Warren Buffet ist überzeugt, dass man im Leben nur „ein paar Dinge richtig machen muss, solange man nicht zu viel falsch macht“. Und auch in anderen Bereichen scheint sich die Philosophie der Via Negativa etabliert zu haben, schließlich weiß man oft besser was man nicht will, während die Ziele des eigenen Verlangens oftmals im Nebel der inneren Gefühlswelt verborgen bleiben. Und selbst bei König Fußball gilt die Devise: „Angriff gewinnt Spiele, die Abwehr gewinnt Turniere.“ Wer Gegentore verhindert, also Fehler vermeidet, hat langfristig den größten Erfolg. 

Illustration: feedbackmedia.de, iStock / EgudinKa, elenabs, KristinaVelickovic
Illustration: feedbackmedia.de, iStock / EgudinKa, elenabs, KristinaVelickovic

Diese Denkweise geht zurück auf den griechischen Philosophen Plato. Seit der Antike haben Menschen immer wieder versucht, auf diese Weise Gott begreiflich zu machen. Da ihn niemand gesehen hatte und wusste, wie er aussah, versuchte man zu beschreiben, was er nicht war. Ist also unser Freund Negativo nicht etwa ein übertrieben kritischer Geist, sondern in Wahrheit ein verkannter Philosoph?

Immerhin machen sich auch viele erfolgreiche Menschen eine Art des Negativismus zunutze. Sie vermeiden nicht nur schlechte Entscheidungen, sondern verbannen das, was ihnen nicht guttut, aus ihrem Leben. Mark Zuckerberg plagt sich nicht mehr mit der Entscheidung herum, was er morgens anziehen soll, und trägt immer gleich aussehende Klamotten. Ähnliches ist von Steve Jobs oder Barack Obama bekannt. Dieses mentale Decluttering wird auch von Hirnforschern empfohlen, so kann man sich besser fokussieren oder einen Zustand der Entspannung erreichen.

Auch die AM-Branche scheint teilweise in eine Phase des Decluttering gerutscht zu sein: Die Zeit des hemmungslosen Wachstums ist bei manchen Unternehmen offenbar erst mal vorbei. Selbst die freigiebigsten US-Investoren haben die Spendierhosen ausgezogen und sind wohl auf die Via Negativa eingebogen. Allerdings gilt das nicht überall, denn manche AM-Unternehmen wachsen nach wie vor und sind dabei sogar profitabel. Warum? Fragen Sie mich nicht – wahrscheinlich hat es mit irgendetwas Positivem zu tun.

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