09.09.2022
Das junge Unternehmen Fabulous wurde eigentlich als Designbüro gegründet, hat sich inzwischen aber mehr und mehr zu einem Spezialisten für Kunststoffpulver entwickelt. Von seiner Kreativität hat es allerdings nichts verloren.
Das Tech-Center von Fabulous, das in einem nüchternen Industriegebiet von Vaulx-en-Velin vor den Toren Lyons liegt, „ist meine Spielwiese“, sagt Olivier Coulet. Sein Spielzeug ist weißes und blaues Pulver aus Kunststoff. In der rund 250 Quadratmeter großen Halle tüftelt der Ingenieur am PC nach neuen Materialrezepturen, hier produziert er auf zwei Prodways-SLS-Maschinen ProMaker P1000 mit den eigenen Pulvern Testbauteile oder Prototypen. Und weil die offizielle Maschinenbezeichnung nicht wirklich in diese kreative Materialwelt passt, heißen die Maschinen intern Loki und Thor, angelehnt an die Marvel-Filmfiguren.
Das „Tech-Center“ des vier Beschäftigte zählenden Unternehmens ist gleichzeitig Showroom, Büro und Produktionsstätte und verfügt auch über Anlagen zur Pulverentfernung und zum Sandstrahlen. An den Wänden hängen 3D-gedruckte und von innen beleuchtete Kunstwerke, neben den SLS-Maschinen findet sich eine zwei Meter hohe Puppe mit 3D-gedruckten Körperschutzschilden, die für den Disney-Park in Paris entwickelt wurde.
Olivier Coulet ist durch und durch Entwickler und von seiner Arbeit in der Additiven Fertigung begeistert. Ein Gespräch mit ihm reißt nicht ab, mit viel Leidenschaft berichtet er von seinen Projekten, zwischendurch zieht er immer wieder beiläufig einen Prototyp aus einer Schublade und erzählt eine Geschichte dazu. Die Namen der Kunden und Entwicklungspartner verrät er allerdings nur selten, vieles ist geheim.
Eigentlich hatte Olivier Coulet zusammen mit seinem Bruder Arnault 2014 Fabulous als Designbüro für AM-Bauteile gegründet. „Damals gab es einige sogenannte AM-Vordenker, die versprachen, dass man in Zukunft alles 3D-drucken kann“, so Olivier Coulet. Das sei für die Branche allerdings kontraproduktiv gewesen, weil man damit zu viel versprach und später zu wenig einlöste. „Wir sind dagegen angetreten, um konkrete Designs zu entwickeln und einen Proof of Concept zu liefern.“
Mit Designarbeit die Realität des Marktes spüren
Olivier Coulet leitete damals noch Exceltec, ein Unternehmen, das er 2004 gegründet hatte und das eigene PA11- und PA12-Kunststoffe vertrieb. 2015 verkaufte er Exceltec an den französischen AM-Branchenriesen Prodways und widmete sich ab 2019 zu 100 Prozent seinem neuen Unternehmen Fabulous. Seitdem wandelte sich Fabulous immer mehr in einen Spezialisten für Kunststoffpulver, wobei das Unternehmen auch seine Gründungsidee nicht vergisst. „Der Materialbereich ist zwar inzwischen der wichtigste Umsatzbringer von Fabulous, doch wir werden weiterhin unser Know-how im Bereich AM-Design anbieten, denn hier sehen und spüren wir die Realität des Marktes.“ Diese Realität bedeutet für Fabulous, dass das Unternehmen sein technisches Know-how in die Zusammenarbeit mit anderen Servicebüros einbringt oder für einen großen Luxuskonzern auf der Basis einer handgezeichneten Skizze eine Datei für den 3D-Druck erstellt.
Der Pulver-Bereich von Fabulous hat sich in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich entwickelt, „trotzdem sind wir ein kleiner Player mit einem Jahresvolumen von weniger als 25 Tonnen“, erklärt Olivier Coulet. Dabei konnte der Ingenieur, der am Anfang seiner Karriere auch neun Jahre als Anwendungstechniker für EOS gearbeitet hatte, in recht kurzer Zeit ein Materialportfolio entwickeln, das inzwischen elf Kunststoffe umfasst: verschiedene PA 11, PA 12 und ein TPU. Produziert werden die Pulver im sogenannten Dry Blending (Trockenmischung). Dabei wird das Gemisch eines Kunststoffpulvers mit Zuschlagstoffen, Weichmachern oder anderen Additiven versehen, die, so Coulet, „mit den Systemen aller wichtigen Hersteller kompatibel sind“.
Besonders stolz ist Coulet auf den PA 11 Bluecare, einen patentierten Lebensmittelkunststoff, den Fabulous innerhalb von 18 Monaten zur Zertifizierungen FDA CFR 21 und EU 10/2011 für Nahrungsmittelkontakt brachte und dessen Entwicklung durch einen bekannten Pasta-Hersteller initiiert wurde. Das ebenfalls patentierte Material PA 11 Detect ist eine Erweiterung davon und schafft dank seiner magnetischen Eigenschaft zusätzliche Anwendungen. Beide Materialien sind bewusst in Blau gehalten, da diese Farbe in Lebensmitteln als recht unnatürlich gilt und damit leicht zu identifizieren ist.
Anwendungsgetriebene Materialentwicklung
Überhaupt basieren die meisten Materialentwicklungen von Fabulous auf Anfragen und Anforderungen von Kunden. „Unser Ziel ist es, konkrete Anwendungen zu unterstützen, für die kein 100-prozentig passendes Material verfügbar ist“, erklärt Coulet. „Auf dem Markt gibt es zwar eine Vielfalt von Materialien, die unter der Bezeichnung ‚PA 11‘ firmieren, doch genau das führt dazu, dass der Markt gerade das Vertrauen in diese Materialbezeichnung verliert. Schließlich gibt es hier sehr große Unterschiede.“
In die Entwicklung der neuen Kunststoffe haben Olivier und Arnault Coulet einen sechsstelligen Betrag investiert, „und jetzt arbeiten wir daran, dass wir damit mehr Kunden finden und sich die Investition auszahlt“, so Olivier Coulet. Auf diesem Weg geholfen haben auch die zahlreichen Kontakte in die AM-Branche, die Olivier Coulet in seiner bisherigen Laufbahn sammeln konnte. Da verwundert es nicht, dass Fabulous in Deutschland sogar mehr als in Frankreich absetzen kann, insbesondere in der Lebensmittelindustrie, wo für Produktionslinien Greifer, Düsen und zahlreiche Anlagenbauteile aus dem blauen Kunststoff 3D-gedruckt werden.
Die Entwicklung des Unternehmens läuft offenbar so erfolgreich, dass sich Fabulous inzwischen auch nach einem Partner in den USA umsieht. Zudem hat Olivier Coulet die Entwicklung von Keramikmaterialien ins Auge gefasst und dafür bereits eine Partnerschaft mit einem bedeutenden französischen Unternehmen beschlossen, wie er erzählt. Zusätzlicher Antrieb für weiteres Wachstum soll auch durch den Einstieg weiterer Investoren kommen, der bereits 2021 vollzogen wurde. Weitere Details und Entwicklungen sowie viele andere Neuheiten will das Unternehmen auf der Formnext präsentieren.
Und auch der Maschinenpark des Tech-Centers wird weiter wachsen. Ende Sommer 2022 sollen beiden Prodways durch zwei weitere Anlagen Gesellschaft bekommen: einen Gravity-Drucker des schwedischen Herstellers Wematter und das neue Formlabs-Modell Fuse 1 Nitrogen. Sicherlich werden sich Olivier Coulet und sein Team auch für diese Maschinen kreative Namen einfallen lassen.
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